Volltext: Innviertler Kalender 1935 (1935)

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Und er sah sie wieder, alle seine Lieben! Und zusammen sind 
sie gewallt zum nächsten Wallfahrtsort. Dort haben sie Dank 
gesagt, haben gebetet und gesunken und die Augen sind ihnen 
übergegangen dabei. 
Dann lam wieder das alltägliche Leben mit seinen Sorgen 
und Mühen. Mit frischer Kraft griff der Meister wieder zum 
Handwerk. Die Blume des Glückes begann langsam wieder auf¬ 
zublühen. 
Da — fiel ein Reif in die Frühlingsnacht. Der Meister merk¬ 
te auf einmal, daß es mit seiner Gesundheit nicht mehr rich¬ 
tig fei. Diese Kurzatmigkeit, diese Aengstlichkeit, dieses plötzlich 
einsetzende Herzklopfen — das gab zu denken. 
„Lieber Meister, Sie haben etwas vom Krieg mitgebracht," 
sprach ernst der Arzt. „Ich rate Ihnen, schonen Sie sich! Ver¬ 
meiden Sie jede größere Anstrengung! Alle Anstrengung! Ihr 
Herz braucht Ruhe und Ihre Lunge ist nicht ganz in Ordnung !" 
Das Herz braucht Ruhe. Ja, kann er das? Verlangt sein 
Beruf nicht von ihm das Einsetzen seiner ganzen Kraft? Und das 
Herz braucht Ruhe! Es ist krank, sehr krank! Die Malaria und 
die oft unüberwindlichen Strapazen haben da ganz gewiß ihr 
heimtückisches Spiel getrieben! Er sieht auf Frau und Kinder, 
die traurig blie Köpfe hängen lassen. Wohl sucht ihn die Frau 
nach Möglichkeit auszuheitern und zu trösten. Alles war bei ihm 
vergebens. Meister Martin, der den Krieg mitgemacht, hatte 
plötzlich allen Mut und alle Hoffnung verloren. Bedrohliche, 
neroenzerrüttende Angstzustände befielen ihn. Krank wurde die 
Seele. Bilder traten vor ihm, die ihn an den Rand der Verzweif¬ 
lung brachten. Der vordem so starke Mann verfiel und brach in 
sich zusammen. Dunkle Ahnungen umdüsterten seine Seele. 
Wenn ein schöner Tag war, ging er gern entlang des Bäch¬ 
leins, das hinter seinem Hanse vorbeilief. Das Murmeln und 
Gurgeln der silberklaren Wellen tat ihm wohl. Und er ging wei¬ 
ter und weiter bis weit in die An und erst .spät fand er den Rück¬ 
weg. Immer wieder zog er dahin und es kam ihm vor, als hielt 
das Bächlein eine gar ernste Zwiesprache mit ihm. Er hörte es 
gar deutlich in den Ohren: Komm, komm, vertrau dich uns an! 
Hier findest du Ruhe und Frieden! Bei uns . . . 
Zuerst erschrak er merklich. Das war ja — das war ja — 
Herrgott im Himmel, behüte mich davor! Er fliehte das Bächlein. 
Einige Tage. Dann lockte es wieder mit seinem silberhellen Klang. 
Und er gab nach. Immer mehr und mehr. Was hatte er denn 
schließlich noch vom Leben? Sein Glück vernichtet. Das Geschäft 
nicht mehr der Rede wert. Wenn er nicht das bischen'Landwirt¬ 
schaft hätte, wär er längst dem Ende preisgegeben worden. 
Und ein Wunsch stieg in seinem Herzen auf. Wäre ich doch draußen 
geblieben am Feldie ... 
Aber es war eben blos ein Wunsch. Ein Wunsch, der die 
nackte, rauhe Wirklichkeit nicht wegwischen konnte. Und diese 
Wirklichkeit blieb und guckte ihn täglich immer höhnischer an. 
Da verlor er die Geduld. Verzeih' es ihm, Gott, aber was
	        
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