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Ihr modernes Töchterlein lachte stillvergnügt. Mochten Sie alle
raten und die Bleiklumpen deuten, wie sie wollten, sie allein hätte die
richtige Lösung geben können, aber sie behielt ihr Glück vorläufig noch
still für sich. Die Kränze, das waren keine Stadtwurstkränze — ja
Schnecken — Brautkränze waren es. Lauter Brautkränze! — Und die
Burgen? Das waren auch keine Burgen. Ein Altar war es. Der Trau¬
altar in der Kirche, vor dem sie mit dem Seppen bald stehen sollte.
Ihr Herz klopfte in heller Freude, so oft sie die Bleigebilde anschaute.
Als ob da einer auch nur eine Minute zweifeln könnte, daß das Braut¬
kränze und ein Altar sind! — Am Nachmittag ging sie damit zu ihrer
Freundin. Ihr allein wollte sie anvertrauen, was dies kommende Jahr
dem Löwenwirtshaus für ein großes Ereignis bringen sollte.
Noch bevor sie der Freundin davon erzählen konnte, brachte diese
eilte Waschschüssel. Das Wasser dariu war gefroren. „Rat amol, wos
des vorstellt?" sagte sie. Die Ev überlegte, besah die Zeichnung der
Eisblumen nach allen Seiten. Sie konnte zu keinem Resultat kommen.
Weit ihr aber die Hochzeitsgedanken nicht aus dem Kops hinaus kommen
wollten, meinte sie, das könnten nur Rosmarinzweige für eine Hochzeit,
wozn geladen würde, bedeuten. Sie dachte dabei an die eigene
Hochzeit und - an die Rosmarinzweige der Brautjungfern, unter denen ja
auch die Freundin wäre. Die andere aber schüttelte energisch den Kopf.
„Fehlg'schoß'n, an Schmarrn! Des sän doch lauter Schustersnägel. Bist
denn du blind, daß du es net siehst?" — Erst jetzt fiel es der Ev ein,
daß die Freundin in den flotten Schusterspeter verliebt war. Nochmals
betrachtete sie aufmerksam die Zeichnungen der Waschschüssel. Wahrhastig,
das konnten auch ebensogut Schusternägel sein. Und weil die Ev diese
Ueberzeugung dann auch sehr bestimmt aussprach, darum erkannte die
Freundin in den Bleigüssen nichts anderes, als einen Traualtar und
Brautkränze.
Gleiche Interessen verbinden. So gut wie an diesem Nachmittag
waren sich die beiden Mädchen schon lange nicht mehr. Recht vertrau¬
lich setzten sie sich nebeneinander und schälten die größten Aepfel, die
zu finden waren, um die Schalen auf die Wirkung der zwölf Nächte zu
prüfen. Die Schale mußte, wenn es recht werden sollte, in ihrer ganzen
Länge geschält sein und über die Achsel hinüber geworfen werden und
dann mußte sie deu Anfangsbuchstaben des Liebsten zeigen. Bei der
Ev mußte es ein „S", „Sepp" ergeben, bei ihrer Freundin ein „P",
„Peter". Mit ein wenig Mühe und etwas gutem Willen war auch
immer ein solcher Name herauszubringen. Der einen den Peter, der
anderen den Sepp. — Aber nun endlich zur Sache. Warum der Schneider¬
bauer und der Schmiedpeter wegen der zwölf Nächte so hintereinander
kamen, wollte ich ja erzählen. Das kam also so: Der Schulzenbauer
hatte in den zwölf Nächten die Gewohnheit, zwölf leere halbe Eier¬
schalen aufzustellen. Jede halbe Eierschale bedeutete einen Monat, und
in jede dieser Eierschalen legte er ein wenig Salz. Wie sich nun das
Salz während der zwölf Nächte änderte, so wurde das Wetter im be¬
treffenden Monat. — Nun war das Salz des Schneiderbauern schon am
fünften Tag der zwölf Nächte ganz zerflossen. Also: Mißernte! Nur
Regen! Nichts als Regen — immer Regen. Regen auch im März und
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