Volltext: Innviertler Kalender 1932 (1932)

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Ihr modernes Töchterlein lachte stillvergnügt. Mochten Sie alle 
raten und die Bleiklumpen deuten, wie sie wollten, sie allein hätte die 
richtige Lösung geben können, aber sie behielt ihr Glück vorläufig noch 
still für sich. Die Kränze, das waren keine Stadtwurstkränze — ja 
Schnecken — Brautkränze waren es. Lauter Brautkränze! — Und die 
Burgen? Das waren auch keine Burgen. Ein Altar war es. Der Trau¬ 
altar in der Kirche, vor dem sie mit dem Seppen bald stehen sollte. 
Ihr Herz klopfte in heller Freude, so oft sie die Bleigebilde anschaute. 
Als ob da einer auch nur eine Minute zweifeln könnte, daß das Braut¬ 
kränze und ein Altar sind! — Am Nachmittag ging sie damit zu ihrer 
Freundin. Ihr allein wollte sie anvertrauen, was dies kommende Jahr 
dem Löwenwirtshaus für ein großes Ereignis bringen sollte. 
Noch bevor sie der Freundin davon erzählen konnte, brachte diese 
eilte Waschschüssel. Das Wasser dariu war gefroren. „Rat amol, wos 
des vorstellt?" sagte sie. Die Ev überlegte, besah die Zeichnung der 
Eisblumen nach allen Seiten. Sie konnte zu keinem Resultat kommen. 
Weit ihr aber die Hochzeitsgedanken nicht aus dem Kops hinaus kommen 
wollten, meinte sie, das könnten nur Rosmarinzweige für eine Hochzeit, 
wozn geladen würde, bedeuten. Sie dachte dabei an die eigene 
Hochzeit und - an die Rosmarinzweige der Brautjungfern, unter denen ja 
auch die Freundin wäre. Die andere aber schüttelte energisch den Kopf. 
„Fehlg'schoß'n, an Schmarrn! Des sän doch lauter Schustersnägel. Bist 
denn du blind, daß du es net siehst?" — Erst jetzt fiel es der Ev ein, 
daß die Freundin in den flotten Schusterspeter verliebt war. Nochmals 
betrachtete sie aufmerksam die Zeichnungen der Waschschüssel. Wahrhastig, 
das konnten auch ebensogut Schusternägel sein. Und weil die Ev diese 
Ueberzeugung dann auch sehr bestimmt aussprach, darum erkannte die 
Freundin in den Bleigüssen nichts anderes, als einen Traualtar und 
Brautkränze. 
Gleiche Interessen verbinden. So gut wie an diesem Nachmittag 
waren sich die beiden Mädchen schon lange nicht mehr. Recht vertrau¬ 
lich setzten sie sich nebeneinander und schälten die größten Aepfel, die 
zu finden waren, um die Schalen auf die Wirkung der zwölf Nächte zu 
prüfen. Die Schale mußte, wenn es recht werden sollte, in ihrer ganzen 
Länge geschält sein und über die Achsel hinüber geworfen werden und 
dann mußte sie deu Anfangsbuchstaben des Liebsten zeigen. Bei der 
Ev mußte es ein „S", „Sepp" ergeben, bei ihrer Freundin ein „P", 
„Peter". Mit ein wenig Mühe und etwas gutem Willen war auch 
immer ein solcher Name herauszubringen. Der einen den Peter, der 
anderen den Sepp. — Aber nun endlich zur Sache. Warum der Schneider¬ 
bauer und der Schmiedpeter wegen der zwölf Nächte so hintereinander 
kamen, wollte ich ja erzählen. Das kam also so: Der Schulzenbauer 
hatte in den zwölf Nächten die Gewohnheit, zwölf leere halbe Eier¬ 
schalen aufzustellen. Jede halbe Eierschale bedeutete einen Monat, und 
in jede dieser Eierschalen legte er ein wenig Salz. Wie sich nun das 
Salz während der zwölf Nächte änderte, so wurde das Wetter im be¬ 
treffenden Monat. — Nun war das Salz des Schneiderbauern schon am 
fünften Tag der zwölf Nächte ganz zerflossen. Also: Mißernte! Nur 
Regen! Nichts als Regen — immer Regen. Regen auch im März und 
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