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Die zwölf sonderbaren slädite.
Nur die zwölf Nächte waren schuld baran, daß der Schneiderbauer
und der Schmied-Peter so aneinander geraten sind. Die spielten für die
zwei eine gar große Rolle. Eigentlich für alle im Dorf.
Da war zum Beispiel die Löwenwirtin. Die zog nicht um alle
Welt während der zwölf Nächte ein Bett ab. Mochten die Bezüge noch
so schmutzig sein, es wurde eben einfach kein Bett abgezogen. Schon im
Advent nicht, und nun gar noch während der zwölf Nächte — Das war
der Löwenwirtin schon von ihrer Großmutter und der Urahne her be¬
kannt, daß man sich den Hexen und bösen Menschen verschrieb, mit Haut
und Haaren, sobald man sich während dieser Zeit in ein frischbezogenes
Bett legte.
Der Löwenwirtin ihre Tochter, die (Sv, das war so eine Moderne
geworden, seit sie in der Stadt einen Kochkurs mitgemacht hatte. Bon bet
Zeit an wollte sie alles besser wissen, wie bie anbetn Leute vom Dorf,
Die lachte ihre Mutter wegen bes Bettüberziehens aus, aber so ganz in
Abrebe konnte sie bie Macht ber zwölf Nächte boch nicht stellen, benn
daran glaubte sie steif und fest, daß das, was man während der zwölf
Nächte träumt, zur Wahrheit wird. Und sie hatte geträumt, daß sie mit
dem Nachbarssepp verlobt war. Richtig, ganz echt verlobt. Ihr ist es
immer noch, als fühle sie den schweren, goldenen Ring ant Finger, den
der Sepp ihr da ansteckte. Grad in der dritten Nacht nach Weihnachten
hatte sie so schön geträumt. Sie zählte an beit Fingern: „Januar,
Februar, März." Im März Würbe sie also schon Braut. Da könnte
dann noch vor der Heuernte Hochzeit sein. Und noch etwas bestärkte sie
in ihrer Hoffnung auf ben Sepp. Ihre Mutter hatte nämlich in ber
Silvesternacht Blei gegossen. Sie wollte halt unbedingt wissen, wie sich
bas neue Jahr einstellt. Da waren es teilweise lauter Kränze, was sie
da goß. Und das andere, wie Burgen sah das aus. Die Kränze wußte
sich die Löwenwirtin sofort zu beuten. Das waren lauter Stabtwürst-
kräuze, bie man im fommenben Jahr in ihrer Wirtschaft verzehrte. Aber
bie Burgen? — die Burgen? Sie zerbrach sich darüber den Kops, daß
er schmerzte.
Alle Gäste fragte sie um ihre Meinung. So meinten die einen,
das wären gar feine Burgen, das bedeute den Wirtstisch mit vielen
Gläsern drunter und drüber gestellt, die andern sagten wieder, der Tanz¬
saal sei es, und ein ganz schlauer behauptete steif und fest, das sähe wie
ein Schloß aus, und das bedeute, daß die Löwinwirtin ein Lotterielos
nehmen soll, dann würde sie so viel gewinnen, daß sie sich damit ein
Schloß saufen sann. Das leuchtete der Löwenwirtin am ersten ein —
daran war nicht zu rütteln, daß dies Gebilde ein Schloß bedeutet. Ja,
Himmel, was blühte ihr im fommendeu Jahr für ein Glück. Und weil
sie noch dazu in der Neujahrsnacht träumte, das alte Mutter schwebt
hätte ihr elf nette Ferkeln gescheitst, darum gab sie der Boteukundl so¬
fort den Auftrag, ihr aus der Stadt ein Los um zwei Schilling mitzu¬
bringen. Aber mit der Aufangsnummer „eilf" Ein Eilser mußte unbe¬
dingt darauf stehen, weil sonst das Los keine Kraft hätte.