Volltext: Innviertler Kalender 1932 (1932)

da oben weit über die Wölbung hin und machte uns erschau¬ 
dern. wie gebannt hingen unsere Blicke daran und fragten: 
was willst du? großes, brennendes Rätsel, sag an, was willst 
du oon uns? 
£s war eine Winternacht, kühl und hart wie Kristall und 
vom Schnee und den Sternen schwach belichtet. Träge wie 
der Tod lag die weihe Decke oon den Gräten herab über 
Dorf und Zlur und dehnte sich gegen Horden in alle Semen 
hinaus. Nichts schien zu leben als wir drei am Fenster. Eine 
mörderische Einsamkeit umgab uns. wir Rinder wagten nicht 
mehr zu reden. 
wenn das nur nicht Krieg bedeutet, seufzte die Mutter 
leise, oder eine Krankheit wie die schwarzen Blattern oder 
Hunger und Teuerung. Du liebe Zeit, Brot und Milch sind 
schon teuerer geworden. 
©der der Jüngste Tag, Mutter, wenn der käme, flüsterte ich. 
Zeichen am Himmel, ja so steht es geschrieben, sagte die 
Mutter mit feierlicher Bibelstimme. Fiber ich glaube eher, der 
liebe Gott will uns mit diesem Kometen warnen, passet auf, 
heißt das, sonst... 
was sonst? drängten wir Kinder. 
Immer schlechter wird die Welt, klagte die Mutter. Letzthin 
haben zwei Buben in der Nachbarstadt ihren Vater vergiftet, 
denkt einmal! Und die Mannsleut wollen nicht mehr in die 
Kirche und verhocken den Sonntag im Wirtshaus. Und die 
Weiber trinken und die Väter laufen fort. Und überall ist 
Streit. Jetzt fängt schon wieder ein Krieg an, auf dem Balkan 
oder wo. Der Pfarrer hat es selbst von der Kanzel gesagt 
Ganz verdorben find wir. 
Tief bedrückt senkten wir Geschwister den Kopf. Mit grau¬ 
samer Klarheit funkelte der Komet auf uns herab. 
fluch ihr zwei zankt immer, predigte die Mutter leise 
fort. Immer habt ihr Streit. Ich kann sagen, was ich will, 
wegen einem Nußkern schlagt ihr euch. Und ihr schlafet ein 
beim Rosenkranz, aber vor- und nachher streitet ihr laut genug 
und schimpft, wenn ihr mir nur das Garn zum Abwinden 
halten sollet, und denkt immer an Essen und herumfpringen 
auf der Gasse. Ganz wie der Vater. Und er, er, ach . . . wie 
sollte da unser Herrgott die Geduld nicht verlieren und so 
einen wink an den Himmel malen und sagen: Jetzt warn' ich 
zum letztenmal, entweder oder! Ich hab' genug! 
Schwer schnauften wir Kinder, ich Engbrüstiger doppelt 
schwer. 
Er braucht nur mit dem kleinen Finger zu winken, und 
unsere Erde fällt zu Staub zusammen. Und noch ein wink, 
und eine nagelneue Welt steht da, mit viel bessern und schönern 
Menschen. Man mutz sich nur wundern, daß Gott es nicht 
längst getan hat, daß er so lange zuschauen mag, schalt die 
Mutter weiter.
	        
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