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geheimnisvolle Jaden halten dich an dieser großen Uolksfamilie fett und
geben dir Stand und fialt bei aller Wandelbarkeit deines äußeren Lebens.
So schlingt die Muttersprache ihr Band um all unsere deutschen Uolks=
genossen, die über die ganze Erde zerstreut sind und sie dürfen sich
überall, auch mitten in fernster fremde, verbunden fühlen mit ihrem
Uolkstum.
jflber noch ein anderes, ein noch geheimnisvolleres, wunderbares,
heiliges Band knüpft die Muttersprache zwischen dir und deinem Uolk.
Deine Muttersprache ist viele Jahrhunderte alt. So wie deine Mutter sich
eintt über deine Wiege beugte und dir erste, süße deutsche saute zu¬
flüsterte, zulachte und zujubelte, so faß deine JThne an deiner Mutter
Wiege, so laßen deine Urahnen vor Hunderten von Jahren an den
Wiegen deiner Uoreltern, deren Blut noch heute ungemindert in deinen
Adern rinnt, und flüsterten und jubelten und beteten über ihnen in den¬
selben deutschen tauten, ln den schlichten, einfachen Worten deiner
Muttersprache, ganz besonders in deiner Mundart, sprechen deine Uer¬
fahren zu dir, durch sie wirst du über Jahrhunderte hinweg mit deinem
Uolke verbunden.
Diese heilig-teure Muttersprache nahmen untere Uoreltern vor 160
Jahren mit nach Rußland. Sie war das fetteste Band, das sie alle um¬
schloß, das sie aber auch mit der Vergangenheit ihres Uolkes verband,
daß sie sich ihres Zusammenhanges mit dem deutschen Uolkstum bewußt
blieben. Tn den Kirgitenfteppen, taufende von Mellen von der alten
deutschen ßeirnat getrennt, wurde ihnen ein altes Gut ums andere ge¬
nommen, ihr Bildungs- und Schulwesen allmählich unterwühlt. So schwand
eine Erinnerung an die alte Beimat nach der anderen, kaum sichtbar noch
waren die friden zwischen ihnen und dem deutschen Uolk. Aber sie
hielten ihre Muttersprache rein .... ln dieser Sprache riefen sie den
Damen Bottes über ihren Hindern an, lehrten sie ihre Kinder beten und
ihre Bedanken und Befühle ausdrücken — und so blieben sie deutsch
und fühlten sich als Deutsche! Mit Stolz und Würde tragen sie im
russischen Uölker- und Sprachenmeer ihren deutschen Damen bis in die
Gegenwart Das Zaubermitiel, das ihnen neben ihrem Glauben dies
Selbstbewußtsein, diese Kraft gegeben hat, war die Muttersprache! So
hatten sie Stand und Ball — in ihrem Glauben, in ihrem Uolkstum.
Wurzellos ist erst, wer in feiner Muttersprache sein Uolkstum auf¬
gegeben bat. €r ist auch in Wahrheit heimatlos, mag es ihm vielleicht
auch äußerlich noch so gut geben, mag fein Uerrat ihm anscheinend Segen
bringen, früher oder später wird er seines Uerrats inne, früher oder
später tiifft ihn der fruch dieses Uerrates. So manchen dieser wurzellosen
Deutschen trifft man im Auslande. Deutsche find’s nicht mehr, denn sie
haben ihre Muttersprache vergessen und müssen sich daher abwenden von
ihrem Uolke. Zu einem anderen Uolkstum aber gehören sie auch nicht,
trotz ihres krampfhaften Bemühens. Die anderen werden in ihnen doch
nur das sehen, was sie find: Abtrünnige, Eindringlinge in fremdes
Uolkstum, Charakterlose!
„Wer feine Mutterfprach’
Setzt einer fremden nach,
Ueber den kommt die Rach’
Und fremd’ Ungemach . ..