Volltext: Innviertler Kalender 1932 (1932)

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Und aus dem vämmerschein glitt die Erinnerung; aber 
nicht schön und lockend mit dem stillen fächeln der Wehmut 
aus den verblaßten Zügen. Die Erinnerung war quälend und 
hart und ihr Herzblut war noch frisch. 
Und sie sprach: „vor einem Jahr war es noch, daß du 
nicht so einsam warst wie heute. Die Räume, vor deren Stille 
dir nun graut, waren von Kinderlachen erfüllt und von der 
holden Gegenwart einer lieben Frau. Du aber warst nicht nur 
der gefeierte Sänger, der du heute bist, du warst auch ein 
geliebter Gatte, vergötterter Vater. Christabend war es wie 
heute und deine Frau hätte den Baum geschmückt und dein 
Rind hatte vor der Türe gesessen mit gläubigen Blauaugen 
und mit dem fächeln der Erwartung. Und beide, deine Frau 
und dpin Töchterchen, hatten sich sehr auf den abend gefreut, 
an dem du ihnen allein gehören solltest, nicht den fremden 
Menschen im Theater wie immer sonst. „Vater wird sich freuet} !" 
hatte dein Tochterchen gerufen, „denn Flnnp hat eine Ueber- 
rafchung für Vater !" wie hübsch sie war in ihrem weihen 
Kleidchen mit den goldenen Locken und dem frohen fachen. 
Und die junge Mutter hatte gelächelt, so voll Innigkeit. — 
Du hättest sie beide in die Firme nehmen sollen und ihnen die 
Freude des Weihnachtsabends, die Freude deiner Gegenwart 
gönnen. Du aber bist nicht bei ihnen geblieben, hast Kur; er¬ 
klärt, schon gebunden ;u sein und bist zu einer Gesellschaft 
von Künstlern und Musikern gegangen, fjaft deine Frau und 
dein Kind allein gelassen an dem Flbend, auf den sie sich so 
sehr gefreut. Fils du dann am Morgen nach Hause kamst, 
lag Flnny in heftigem Fieber. Sie hatte sich erkältet, als sie 
auf den Gang gelaufen war, zu sehen, ob ihr lieber Vater 
denn noch immer nicht käme. Fils dann das Kind starb, zog 
deine Frau von dir fort zu ihren Eltern und leitete die 
Scheidungsklage ein. Darum bist du heute so allein, denn es 
hält dich bei keiner Unterhaltung, denn du kannst dich nicht 
ablenken." 
kalt und hart sprach die Erinnerung und sie nahm rest¬ 
los Besitz von der Gegenwart. 
klnny hatte den Vater noch überraschen wollen — er 
aber war achtlos von dem Kinde gegangen, das dann seinet¬ 
wegen gestorben war. 
Und darum war es nun so still, so einsam in den Kostbaren 
Räumen, darum erhellten sich Keine Christbaumketzen, erklang 
Keine süße Kinderstimme in ihrem Schweigen. Aber jäh ward 
dies von der Türglocke zerrissen, deren Ton ihn auffahren lieh, 
wer mochte das fein? Der Briefträger wohl — oder eine Ver¬ 
ehrerin seiner Kunst? Fiber er hatte dem Diener den Fluftrag 
gegeben, niemand einzulassen. Er wollte allein sein, das heißt, 
er wollte nicht auch noch einen anderen Menschen in der 
Rähe wissen. Dennoch öffnete sich die Tür, aber dieses leichte 
hinunterdrücken der Schnalle, diesen fast unhörbaren Schritt 
Kannte er gut genug.
	        
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