Seite 56 Zeitschrift für das österr. Blindenwesen. 5./9. Nummer
Blindenlehrer und Blindenfreunde in Kenntnis setzen zu wollen.
' L ö wen thal.“
„Bundeskanzler dankt herzlichst für warme Anteilnahme.
" B u n d e s k a, n z 1 e r a in t.“
Nun begannen die fachlichen Beratungen, welche drei Re
ferate umfaßten. Zunächst referierte Direktor Altmann über
„Das Montessori-System und die Blindenanstalt“.
Die Reformpädagogik' der letzten Jahre bedeutet — histo
risch betrachtet — ein Wiedererstehen der durch Pestalozzi
und Fichte, Goethe und Fröbel angebahnten, zeitweise zurück-
gedrängten Tendenzen. Sie hat mit einer Reihe von kritischen
Gedanken und programmatischen Vorschlägen eingesetzt und
alsbald in der Fachliteratur wie in der breiten 0 Öffentlichkeit
die lebhaftesten Erörterungen und Kämpfe hervorgerufen. Für
die Blindenpädagogik ist es zu einer kontinuierlichen Notwen
digkeit geworden, sich in die Vielheit der Gedanken und Be
strebungen der allgemeinen Pädagogik zurechtzufinden, zu einem
Ueberblick über das Ganze der Bewegung und dadurch zu eitler
verständnisvollen Würdigung ihrer Teilströmungen zu gelangen,
nicht nur um neue Impulse zu schaffen.
Eine Teilströmung;, das System der Frau Dr. Maria Mon-
tessori, zu betrachten und hauptsächlich zu, konstatieren, ob
sich für dieselbe ein Verhältnis zur Blindenanstalt finden läßt,
ist schon lange zu einem Wunsche geworden, dien wir jetzt
realisieren wollen durch das Aufzeigen der Gesichtspunkte und
die Erfassung dieser Teilbewegung in ihren charakteristischen
Zügen.
Frau Dr. Montessori betont selbst, daß sie keine Darlegung
der Pädagogik als Wissenschaft, sondern nicht uninteressante
Ergebnisse eines pädagogischen Versuches geben will, der einen
Weg zeigen könnte, auf dem die für die wissenschaftliche Er
neuerung der Pädagogik aufgestellten Grundsätze zur prakti
schen Ausführung: gebracht werden könnten. Dazu müsse die
Bahn bloßer Spekulation verlassen werden, um sich auf positive
Forschungsergebnisse der’ Erfahrung und defe Experimentes zu
gründen. Des Lehrers besondere Aufgabe sei es, Menschen zu
beobachten. Und nicht den Menschep in seinen gewohnten täg
lichen Lebensäußerungen, sondern den Menschen beim Erwachen
des geistigen Lebens.
Vom Kinde selbst soll er Mittel und Wege für die eigene
Bildung lernen, d. h. er soll von ihm lernen, sich als Erzieher
zu vervollkommnen.
Der Begriff der Freiheit, der die Pädagogik durchdringen
muß, ist ein allumfassender. Der Grundsatz der Unterwürfigkeit
dürfe nicht die ganze Pädagogik und damit auch die ganze
Schule beherrschen. Eine grundlegende Forderung der wissen
schaftlichen Pädagogik müsse die Freiheit des 1 Schülers' sein,
welche die Entfaltung der spontanen Aeußerungen der Indi-