Volltext: Der Spaßvogel 1932 (1932)

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Schlangenbill. 
Stizze von Wolfgang Kemter. 
Nachdruck verboten! 
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im nahen Kirchturme verkündete die 
Uhr die Mitternachtsstunde. Da 
—A— 
bedankten sich bei dem Hausherrn 
und seiner reizenden Gattin für die liebens— 
würdige Einladung und Bewirtung und 
verabschiedeten sich. Unter der Haustüre 
noch ein kleiner, letzter Plausch, dann fiel 
die Tür ins Schloß. Die Schritte der 
Gäste verklangen auf dem Gartenkiese. 
Dr. Landegg öffnete die Fenster, um den 
Zigarren- und Zigarettenrauch hinauszu— 
lassen, die Frau Doktor schickte das Mäd— 
chen zu Bette, löschte die Lichter des Stie— 
genhauses und begab sich ins Schlafzimmer. 
Dr. Landegg schloß die Fenster wieder und 
wenig später lag das hübsche Landhaus 
still und dunkel da. 
Auf diesen Augenblick hatte der 
Schlangenbill — von seinen Zuuftgenossen 
nach der auf seinem linken Arme eintäto— 
wierten Natter so genannt — schon seit 
Stunden mit wachsender Ungeduld und stei— 
gender Unruhe gewartet, denn seine Lage 
war keineswegs beneidenswert, alle Knochen 
schmerzten ihn schon. Er lag nämlich zu— 
sammengekrümmt wie ein Wurm oben un— 
ter der Bodenstiege in einem stillen, dunk— 
len Winkel geborgen, nachdem es ihm in 
den Abendstunden ohne besondere Schwie— 
rigkeiten geglückt war, sich ungesehen in das 
Doktorhaus einschleichen zu können, auf 
welche Gelegenheit er schon seit längerer 
Zeit lauerte. Denn das Landeggsche Haus 
in der Julius-Bürger-Straße stand nicht 
erst seit gestern auf seinem Programme. 
Es gab da im Salon und im Speise— 
zimmer des jungverheirateten Paares wun— 
dervolle Sachen, die jeden vom Fache ent— 
zücken mußten. Altes Silber, schwer und 
gediegen, sogar Gold und Edelsteine. Die 
Doktorin war eben die Tochter des schwer— 
reichen Großindustriellen Roͤder, eines jener 
Wenschenkinder, die nach des Schlangen— 
bills Auffassung nur dazu auf der Welt 
waren, um den Gegensatz zwischen arm 
und reich zu veranschaulichen. Dessen Heim 
aber war ein Beuteland erster Güte, zur 
tillen, zeugenlosen Vequisition wie ge— 
chaffen. 
Zweimal hatte Bill schon versucht, was 
hmuäerst heute gelungen war. Heute ging 
alles nach Wunsch bis auf die blödsinnige 
Idee der Doktorsleute, gerade an diesem 
Abende Gäste zu haben. Da hieß es still 
iegen und sich nicht mucksen, nicht räuspern 
ind nicht husten, denn das kleinste Ge— 
äusch hätte zum Verräter werden können. 
Aber endlich war Ruhe im Hause. Mit 
einer leisen Verwünschung kroch der Schlan— 
genbill aus seinem Versteck, streckte und 
reckte sich, daß die Glieder krachten, und 
schlich sich dann lautlos wie eine Katze 
ins Erdgeschoß hinddd. 
WVon Zeit zu Zeit blieb er stehen und 
horchte; gleich darauf setzte er seinen Weg 
wieder fort. Jetzt war er vor der Wohn— 
zimmertür angelangt. Leise, leise öffnete er 
ie, Zoll um Zoll. Ohne jedes Geräusch 
zing das freilich nicht ab. Der Schlan— 
zenbill hielt den Atem an und lauschte, aber 
s regte sich nichts. Neben dem Wohnzim— 
ner war auf der einen Seite das Speise— 
zimmer, auf der anderen die Garderobe und 
erst dann das Schlafzimmer des jungen 
Paares, alle Zimmer in einer Flucht. Bill 
var im Zimmer, seine Augen suchten die 
Finsternis zu durchbohren, dann huschte 
er zu dem schönen Wahagonischrank, auf 
und in dem wunderbare, feine Sächelchen 
tanden. Er hatte einen Sack bereit. Schon 
var das Türchen offen, schon griff seine 
gierige Hand nach — — — — da bekam 
er einen wuchtigen Schlag auf den Hin— 
terkopf, der ihn auf der Stelle betäubte. 
Ohne einen Laut von sich zu geben, stürzte 
er auf den Perserteppich und blieb dort be— 
wußtlos liegen.. W 
Als der Schlangenbill endlich wieder 
zu sich kam. da drang durch die Fenster
	        
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