Volltext: Der Spaßvogel 1929 (1929)

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Ein Freund des Grogs. 
Humoreske von Hermann Weber. 
Nachdruck verboten! 
An unserm, Stammtischgespräche war 
1 eine Pause eingetreten. Soeben hat— 
A ten wir die Trunksucht und ihre Fol— 
⸗ gen kritisch beleuchtet, hatten an dem 
Dämon Alkohol kein gutes Haar gelas— 
sen und saßen jetzt in gespannter, Erwar— 
tung, was sich nach unsern Angriffsreden 
wohl ereignen würde. 
Daoa klopfte unser Mittwochsgast an 
sein Glas und erhob sich. Er war ein wür— 
diger alter Herr und stand bei uns schon 
lange im Verdacht, ein, heimlicher Anhän— 
ger des Alkohols zu sein. Wohl hatten 
jeine beständig schwimmenden Aeuglein ge— 
rade nichts Verdachterweckendes an sich, 
doch der Umstand, daß der alte Herr fast 
mmer einen leichten Dunst von Rum und 
Wacholder um sich verbreitete, sprach sehr 
zu seinen Ungunsten. 
.Bier und Wein trank der alte Herr 
nicht, sondern immer, nur starkduftenden, 
techt heißen Grog, so daß, wir wirklich 
oft meinten, er hielte in seinem Innern 
einen Eisklumpen verborgen, den er, nach 
und nach aufzutauen hoffe: und jedes— 
mal, wenn er, dem Kellner das leere Glas 
hinreichte, kniff er das linke Auge ein 
wenig, zu und sagte leise und dringend: 
FJ FEin wenig nördlich, Jean, hören 
Sie?“ 
Dieser Herr hatte also an sein, Glas 
Jeklopft und sich erhoben. Jetzt ließ er 
seine blinkenden Aeuglein noch einmal über 
unsere erwartungsvollen, jungen Gesichter 
aleiten und begann: 
„Meine Herren! An Ihren mißbil— 
ligenden Blicken habe ich oft gesehen, daß 
Sie meine Vorliebe für den Grog als 
einen Hang zum Alkoholgenuß betrachten. 
Diesen Verdacht muß ich zurückweisen und 
bitte zu bedenken, daß ich an der Wasser— 
lante zu Hause bin, wo das Rumgetränk 
ozusagen zur Familie gehört ... Mir selbst 
hat der Grog einst einen großen Dienst 
erwiesen; er hat, mir vielleicht Leben und 
Gesundheit erhalten, und von jenem Aben— 
teuer, hei dem er eine wichtige Rolle spielte, 
will ich Ihnen jetzt erzählen“ 
.Nach dieser Einleitung trank der Alte 
sein Glas aus, reichte es dem Kellner zu 
neuer Füllung und sagte eindringlich: 
„Recht nördlich, Jean; ich muß mich 
gegen diese jungen Herren verteidigen!“ 
Dann fuhr er fort: „Als junger 
Bursche war ich ein wenig schwach in den 
Gliedern und hrachte darum im, Sommer 
seden Jahres einige Zeit bei meinem On— 
kel, dem Förster, auf dem Lande zu. Hier 
streifte ich nach Herzenslust in Wald und 
Feld umher, fischte und badete in dem klei— 
nen Fluß nahe der Försterei und kehrte 
jsedesmal als gekräftigter, neu belebter 
Junge in die Stadt zurüch... 
Als Zwanzigjähriger war ich zum letz⸗ 
ten Male zur Erholung bei, dem Onkel. 
Ich hatte ihn fast immer auf seinen Dienst⸗ 
gängen begleitet, doch eines Tages, als ihn 
der Rheumatismus allzu sehr plagte, rü— 
stete ich mich, um allein umherzustreifen. 
s herbstete schon ein wenig und hier und 
da fielen auch schon gelbe Blätter. zur 
Erde nieder, doch die Sonne stand noch 
immer in voller Kraft am Himmel. 
„Nimm Karo mit dir,“ sagte der On— 
kel, als ich mich verabschieden wollte „er 
ist schon seit einigen Tagen nicht mehr in 
Bewegung gewesen und ich befürchte, daß 
er bei, dem trägen Leben schließlich ganz 
lahm in den Knochen wird.“ — 
.Karo war Onkels alter Jagdhund, 
ein treues, starkes Tier, das keine Frem— 
den an sich herankommen ließ; da er gut 
als Begleiter dienen konnte, nahm ich ihn 
mit und er sprang mir lustig voraus. Hätte 
ich allerdings gewußt, auf welche Weise der 
Hund mir später, seinen Dank bezeigen 
würde, so hätte ich ihn doch lieber zu 
Hause gelassen!... 
Als ich nun einige Stunden umherge— 
wandert war, gelangte ich an unsern klei— 
nen Fluß und beschloß, ein kurzes Bad 
zu nehmen. Die Gegend war recht ein—
	        
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