Volltext: Der Spaßvogel 1927 (1927)

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Er erhob sich und trat ans Fenster. 
Mit den Fiugern an die Scheiben trommelnd, 
begann er zu pfeifen: 
Behüt dich Gott, es wär, so schön gewesen, 
Hehbuͤl dich Gott, es hat nicht sollen — —“ 
Anfangs merkte er nicht, welch eine 
Melodie ihm unbewußt auf, die Lippen ge— 
sommen war. Dann, als er sich klar darüber 
wurde, brach er ärgerlich ab und verstummte. 
In den folgenden Tagen verstummte er 
auch Eva gegenuͤber und begann ihr wieder 
änastlich auszuweichen. Sein Selbstbewußt— 
sein hatte einen bedenklichen Stoß erhalten. 
Von der Dame mit dem großen Vermögen 
kam noch immer keine Antwort. Sollte er 
sich doch zu spät gemeldet haben? Aber wa— 
rum schickte sie nicht wenigstens seine Photo— 
graphie zurück? War vielleicht sein Schrei— 
—E — Alle 
nur möglichen Zweifel stiegen in ihm auf. 
Schließlich entschloß er sich, ein zweitesmal 
unler der gleichen Chiffre zu schreiben. Und 
wieder vergingen einige Tage, ohne daß eine 
Antwort kaͤm. Da stand der Termin, an dem 
seine Associierung mit Gerhard Albus auf 
dem Amtsgericht gebucht werden sollte, schon 
vor der Tür. 
Schweren Herzens begab er sich zur 
bestimmten Stunde in die Privatwohnung 
des Großkaufmanns, um seinen künftigen 
Associe, wie es verabredet war, zum Ge⸗ 
richt abzuholen. 
Die Stimme, mit der Herr Gerhard 
Albus „Herein!“ rief, hatte einen ganz selt⸗ 
samen Ton; es klang schrill und hart wie 
eine zersprungene Geige. 
Linus Lentner stutzte. War der Prinzi⸗ 
pal heute bei so übler Laune? Und, dazu 
sollte er ihm mitteilen, daß er noch immer 
keine Aussicht habe, sich demnächst zu ver— 
mählen! 
„Ich — verzeihen Sie — —“, stot⸗ 
terte er. — „Sie haben vielleicht vergessen, 
— daß heute —“ 
„Freitag ist, — durchaus nicht.“ 
Er schwieg und Linus mußte wohl oder 
übel fortfahren: „Und daß wir an diesem 
Tage aufs Gericht gehen wollten, — um, — 
um — 
—— M— 
„Die Associierung —“, platzte der Chef 
heraus, „daraus kann nichts werden. Wo 
denken Sie hin! Sie haben ja die Haupt⸗ 
bedingung nicht erfüllt“ 
Lentner fiel aus allen Himmeln. Also 
doch, — ein solches Gewicht legte er auf 
seine Verheiratung! Aber wie konnte Herr 
Albus denn wissen, daß er nicht als glück— 
licher Verlobter zu ihm ken? 
Ich begreife nicht —“, stieß er tonlos 
hervor, „ich habe ja die besten Aussichten 
ich kann täglich heiraten —“, auf eine 
Lüge mehr oder weniger kam es nun auch 
nicht mehr an, — er mußte an Eva den⸗ 
„ich kann mich verloben, wann ich 
will —“ 
„Ach, was kümmern mich Ihre Her— 
zensangelegenheiten!“ fuhr Gerhard Albus 
zuf, — „davon ist hier nicht die Rede.“ 
Jetzt wußte der junge Kaufmann nicht 
mehr, was er denken oder sagen sollte. „Ich 
verstehe wirklich nicht, was Sie meinen —“ 
Was ich meine? — Daß Sie mich be— 
trogen haben!“ 
Daos war doch zu viel. Alle Farbe wich 
aus Lentners Gesicht. „Betrogen, Herr Al⸗ 
hus? Wie können, Sie sagen, daß ich —“ 
„Ja und nochmals ja. Haben Sie mir 
nicht beteuert, daß Sie gänzlich schuldenfrei 
seien?“ W 
Himmel, — das also war es! — Das 
böse Gewissen raubte Linus die Sprache. 
Seine Arme hingen schlaff herab. „Mein 
Gott. — eine Lappalie —,“ stammelte er. 
„Dreitausend Mark, das nennen Sie 
eine Lappalie! Dem Himmel sei Dank, der 
mir zu rechter Zeit die Augen über Sie ge— 
zffnet, — oder vielmehr, daß Sie es selbst 
getann “ 
„Ich Ihnen? — —“ 
„Sie wünschen, Herr Lentner?“ Leugnen Sie es etwa noch?“ 
Der Gefragte war baff vor Schrecken „Wozu, wenn Sie doch alles wissen. 
und Staunen. Aber wer hat Ihnen verraten können —“ 
Der Chef saß auf dem Armstuhl, aber 
er rückte schon jetzt unruhig nach der Seite, 
als wollte er die Unterhalutng beendet wis— 
sen, ehe sie noch begonnen. Das war ein böses 
Porgeichen. das sich Linus nicht zu erklären 
wußte.
	        
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