Volltext: Der Spaßvogel 1916 (12. 1916)

dern der Huldinnen entströmten, kräftig Re¬ 
klame zu machen schienen. Außerdem waren |it 
aus Sachsen, wo, wie die Juno mit den Bart¬ 
stoppeln selbstzufrieden versicherte, bekanntlich 
die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen, 
eine Behauptung, die in Peter Grasbergers 
Busen dunkle Zweifel wachrief. 
Obwohl er am liebsten schleunigst das 
Hasenpanier ergriffen hätte, blieb ihm doch 
nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel 
zu beißen und mutig die traurigen Folgen 
seiner ritterlichen Eefühlsaufwallung zu tra¬ 
gen. So bot er denn der Geretteten, deren 
schwaches Nervensystem von dem ausgestan¬ 
denen Schrecken gewaltig erschüttert war, mit 
innerem Schauder den Arm. Denken konnte 
er dabei nur eines: „Wenn Gustchen Müller 
Dich so sähe!" 
Seine Hoffnung, den drei angejahr¬ 
ten Grazien, nachdem er sie oben vor der Rum 
abgeladen hatte, in einem unbewachten Augen¬ 
blick entwischen zu können, erwies sich als trü- 
deeile sich nun, ihm eine Blütenlese seiner hol¬ 
desten Nirlein emporzusenden? 
Peter Grasberger fühlte sich plötzlrch über¬ 
menschlich jung und lebensfroh. Wie im Rausch 
ritz er sein Taschentuch heraus und winkte und 
wedelte den Holden feurige Willkommengrüße 
hinab. Und die Holden winkten und wedelten 
mit blütenweißen Battisttüchlein und spitzenbe- 
setzten Sonnenschirmen zurück. 
Der vorderste Esel, offenbar von dem 
Wunsch beseelt, seine süße Last möglichst bald 
zu Peter Grasbergers Füßen niederzulegen, 
setzte sich in wilden Galopp, unbekümmert um 
die Schreckensschreie der gefährdeten Schönen. 
Todesmutig stürzte Peter Grasberger dem 
Ausreißer entgegen und kam gerade noch recht¬ 
zeitig genug, um das Nirlein in seinen Armen 
auffangen zu können. 
Nun schleunigst einen glutvollen Blick un¬ 
ter ihren blütenduftigen Sommerhut — — 
Ach! erschrak der Knabe! 
Jung war sie nicht, und hübsch noch viel 
weniger! Und erst die beiden an¬ 
deren!! — „ 
Mit süßestem Dank löste die 
Gerettete sich aus seinen Armen, wäh¬ 
rend die zwei anderen Rheinniren, die 
inzwischen von ihren Eseln herabge¬ 
rutscht waren, über ihn herfielen und 
ihn unter ungeheuerem Wortschwall 
als den Lebensretter „der Kleinen" 
begrüßten. 
Kaum fand der Unglückselige 
Zeit, sich als „Erasberger, Großkauf- 
mann" vorzustellen. Nach zwei Mi¬ 
nuten wußte er bereits alles von 
ihnen: Drei Schwestern waren es. 
moderne Frauen, ohne jeglichen 
Schutz und Schirm auf einer Rhein- 
reise begriffen. Die bereits stark ern- 
getrocknete Dame in Himmelblau hieß 
Amalia, war die Familienleuchte und 
hatte in Zürich Philosophie studiert. 
Elvira, die zitronengelbe, eine wahre 
Juno mit Bartstoppeln und dröh¬ 
nender Baßstimme, war das Fami¬ 
liengenie und ungeheuer vielseitig in 
bezug auf Malen, Singen, Klavier¬ 
spielen und Schriftstellern. Sylvia, 
die gerettete Jungfrau in Rosa, das 
Nesthäckchen des liebreizenden Klee¬ 
blattes, war weder eine Leuchte noch 
ein Genie; als Ersatz dafür besaß sie 
ein mimosenhaftes zartes Seelen¬ 
leben und eins bewundernswerte 
Aversion gegen alles Alltägliche und 
Unpoetische. Der Vater war Inhaber 
einer Parfümfabrik, wofür die Duft- 
wolken, die den jugendlichen Eewän- 
Kompensation 
„Es muß doch ein furchtbares Gefühl sei«, 
Herr Referendar, einen armen Menschen un¬ 
schuldig verurteilt zu haben!" 
— „Pardon, Gnädigste, begreife Ihr 
Mitleid nicht recht; dafür kriegen wir ja Hun¬ 
derte von Halunken überhaupt nicht!"
	        
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