Volltext: Der Spaßvogel 1916 (12. 1916)

„Die Sache ist ganz schön unb nett." 
sprach der Bankier unb klopfte mit ben bü¬ 
ken Fingern auf sein Bäuchlein, „doch, mein 
Bester, sind Sie wohl auch in der Lage, mit 
Ihrer Kunst eine Frau Ihrem Stanbe ent¬ 
sprechend zu ernähren?" 
„Aber, Herr Bankier," fiel da Kaspar 
fast beleidigt ein, „sehen Sie, heute erst er¬ 
hielt, ich den freudigen Bescheid, daß mein 
jüngstes Bild „Das neue Jahr" in der Kunst¬ 
ausstellung von Paris einen Amerikaner zum 
Käufer gefunden hat und . . 
„Ah, meine innige Gratulation, Herr 
Wiedehopf, zu diesem großartigen Erfolg. 
Wie sind Sie doch bescheiden!" 
„Bitte, bitte,," wehrte Kaspar ab, dem die 
Lüge im Herzen Brannte 
„Doch," fuhr Elwmas Papa weiter, „Sie 
werden entschuldigen, wenn ich als Vater 
meiner Tochter au Sie noch eine wichtige 
Frage richte! Künstler haben nicht selten auch 
• Nun: wie soll ich sagen —■— —" 
„Schulden, meinen Sie," half mit ver¬ 
stohlenem Lachen Kaspar darauf, „nein, Herr 
Bankier, ich habe zwar kein Bares Vermö¬ 
gen. aber Schulden. . . (Sott Bewahre mich 
davor!" 
„Schon gut, schon gut. Dann noch et¬ 
was : Sie lieben also unsere Elwina wirk¬ 
lich?" 
„Ach, wie Sie nur so fragen können, 
v wenn Sie wüßten . . ." 
„Na dann, wenn Elwina nichts dagegen 
hat und sich die Sache so verhält, wie Sie 
mir soeben sagten. . 
„Ader ich bitte Sie. Herr Bankier, Sie 
ztoetfeln doch an meiner WahrheitslieBe 
nicht?" 
"Das nicht, aber ... na ja. dann mei¬ 
nen Segen iiBer euch, dann sei Mein Kind 
mit ihren 30.000 Mark — Ihr Eigen!" 
Gott! war das ein Wort. War das ein 
^ubel, der nun in Kaspars Herzen losbrach, 
^olch ein Namentagsgeschenk hatte er sein 
Leben lang noch nicht erhalten. 
Beruf6'1“ ^ ein wunderhübscher 
Vor übergroßer Freude stieg Kaspar im 
Gorraum an den Kleiderständer, daß „sein" 
Zylinder vom Rahmen auf den Boden zu 
Füßen des Herrn Schmalbein kollerte. 
„Das bedeutet Unglück. Herr Wiede¬ 
hopf," sprach dieser und hob ihn auf. 
„Unglück?" lachte Kaspar auf, „wie könnt« 
ein Zylinder Unglück Bringen?" 
Für ihn gaB es doch überhaupt kein Un¬ 
glück mehr. In seinem Kopfe schwirrten dir 
Gedanken durcheinander,- er war Berauscht 
von Glück und JuBeL 
Auf dem Heimweg in später Nacht stand 
die Zukunft sorgenlos vor seinem Geiste und 
im Traume sah er dreißig Braune Lappen, 
mit welchen er auf weichem Sofa mit El¬ 
wina spielte. 
Allein — es ist gar häßlich hier auf 
Erden eingerichtet, daß bei den Rosen gleich 
die Dornen steh'n. 
Noch lag Herr Wiedehopf vom süßen 
Schlaf umfangen in den Daunen, als in sei¬ 
nem Zimmer die Glocke schrill erklang unb 
zwei Minuten später ein Bote einen Brief 
und Paket üBergaB: 
Kaspar rieb sich die Augen aus und fas: 
Geehrter Herr! 
-HaBen Sie die Güte, dem Ue&erBringer 
dieses Briefes den Hut des Herrn Balthasar 
SchmalBein zu geben, den Sie gestern abends 
mit dem „Ihrigen" verwechselt haßen. „Ihr" 
Hut folgt anBei 
Geehrter Herr! Ihre Wahrheitsliebe, 
ist nicht allzu groß. Sie haBen mich gestern 
Ichändlick) hintergehen wollen. Doch „Ihr" 
Zylinder hat Sie verraten. Mit Elwmas 
Heirat wird es nichts und wollen Sie den 
Grund htefiir erfahren, bann, bitte, lesen 
tote nur Ihre Huteinlagen. Habe ich durch 
“95 Lesen so intimer Sachen auch eine In¬ 
diskretion Begangen, so mußte ich dies tun, 
um den Besitzer des Zylinders zu ermitteln, 
oa der Hut mit I. M. und nicht mit den 
Anfangsbuchstaben Ihres Namens K. W. 
gezeichnet war. Melchior Zwicknage!. 
.,^afP,ars Augen wurden groß und größer. 
Hastig riß er das übersandte Paket auf, da 
lagen im Zylinder seines Freundes Isidor: 
der abschlägige Brief der Kunstausstellung 
von Paris Betreff fein jüngstes Werk: „Das 
ilc^® : bann eine Schneiderrechnung 
auf 600 Mark und eine Spielschuld von nicht 
weniger als 3000 Mars. 
«~ CE Eile hatte er also diese unheil¬ 
vollen Dokumente als .Huteinlagen benutzt. 
Kaspar griff sich an die Stirne und stöhnte 
auf; „5j, der Unglückshut und mein — ent¬ 
schwundener Berus!"
	        
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