Volltext: Heimatkunde 5. Heft (5. Heft / 1912)

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Nun wäre es aber bald an der Zeit, das, was im 1. Hefte der Heimatkunde 
S. 38 ff. begonnen wurde, auszubauen, d. h. sämtliche „Ortsneckereien" des 
Jnnviertels in ein hübsches Gewand zu bringen. Anderswo ist dies bereits 
gelungen. So ist vor kurzer Zeit das „Bayrische Schelmenbüchlein" (heraus- 
gegeben von Bronner) erschienen, worin ungefähr 430 Uebernamen von 
bayrischen Orten mit ihren Bedeutungen und ihrer Veranlassung zusammen- 
gestellt wurden. Was dort möglich war, könnte auch bei uns bald durch- 
geführt sein. Wir bitten daher, alle „Ortsneckereien" mit kurzer Angabe 
ihrer Bedeutung und Veranlassung an die Heimatkunde in Ried einsenden 
zu wollen. 
Witz, Humor, und vor allem auch der Spott waren ja immer tätig 
bei uns, oft nur zu viel. Jedes wichtige und auch unwichtige Ereignis 
fand einst seinen Sänger. So lese ich eben in einer alten Zeitung („Inn- 
viertler Kurier" vom Jahre 1851, Nr. 5): „Von 6 Jünglingen aus der 
Pfarre Taufkirchen (a. d. Pram, denn der Bericht stammt aus Schärding) 
wegen aufreizenden Singens von Spottliedern wurden 5 zu 24 und 1 zu 
48 stündigem Arrest verurteilt. Eine Bauerstochter hatte zur Verbergung 
ihrer Kopfhaare, deren Farbe in München oder London dem gemeinen Witze 
nicht im geringsten zur Zielscheibe dunen würde, (also rotes Haar!) bei 
einer Hochzeit künstlicher schwarzer Haarscheitel sich bedient. Dieser Unglück- 
selige Einfall wurde nun in einer Mostschenke von Bauernburschpn in 
Gegenwart von 30—60 Menschen und zwar in 14 Strophen besungen." — 
Wenn man überall so strenge vorgegangen wäre, hätte man nicht genug 
Gerichtsbeamte anstellen können. 
Und noch etwas! Neulich hat sich einer aus dem Landl drüben in 
einer Zeitung über uns Jnnviertler nicht recht freundlich ausgelassen, d. h. 
er hat alles gesammelt, was der böse Landlermund über uns Jnnviertler 
zu sagen wußte. Das brauchen wir uns nicht gefallen zu lassen — wir 
wollen zwar nicht unsere Fäuste dagegen erheben, aber wir wollen uns 
fein säuberlich zusammenschreiben, was der Landler am Kerbholz hat! Jeder 
Beitrag ist erwünscht. 
\7. Zur Haus- und Familienchronik von Ried. 
i. 
In manchen Dörfern des Jnnviertels sind fast alle Familien unter- 
einander verwandt. Von jeher war es so Sitte, daß der zukünftige Bauer 
leine Lebensgefährtin wieder aus dem Heimatdorfe nahm. Nur selten kam 
eine neue Familie, ein neuer Einschlag ins Dorf. So kommt es, daß 
einzelne Familien auf dem Lande ihren Stammbaum zurückoerfolgen könnten 
bis vor 300, ja 400 Jahre. 
Anders sind die Verhältnisse in den Städten, zum Teil auch schon in 
den Märkten. Das hängt heute zusammen mit dem auch in kleinen Städten 
zahlreich vertretenen Beamtentum, das im Gegensatz zu früheren Zeiten 
nur mehr selten irgendwo bodenständig wird und sich schon beim Dienstantritt 
Mit Plänen auf eine größere Stadt, wenn nicht auf die „Großstadt" trägt. 
Aber nicht nur das Beamtentum ist die Ursache eines raschen Wechsels in
	        
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