Volltext: Heimatkunde 5. Heft (5. Heft / 1912)

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der Ferne, wie aus Ober- und Niederbayern. Rechnet man dazu die 14"/^ 
der Fremden, die sich das Bürgerrecht erkaufen mußten, so kommt man zu 
dem Resultate, daß in jener Zeit, das ist um die Wende vom 16. zum 17. Jahr- 
hundert, ein großer Wechsel in der Bevölkerung des Marktes Ried vor sich 
gegangen ist, daß also jährlich mehr als die Hälfte der neuen 
Bürger aus der Fremde kamen. Zum gleichen Resultat gelangt man 
auch durch eine (Statistik auf Grund des gleichzeitigen Trauungsbuches in. 
Ried, was in einem späteren Aufsatze dargelegt werden soll. 
5. Bürgerstrafe« und Wandelt) 
Ein Kapitel, das nur von den Schattenseiten des Rieder Lebens spricht, 
aber gerade dadurch einen beachtenswerten Einblick in das bürgerliche Leben 
um 1600 gibt. Die Praktiken der Kaufleute, die wüsten Sitten einzelner 
Bierbrauer und auch anderer Stände, die Mißachtung der Autorität der 
Gemeindegewaltigen, Schimpf und Zank und nicht zuletzt die Rauflust finden 
in diesen Eintragungen ihre amtliche Bestätigung. 
Jährlich kamen unter den Bürgern 20—30 Straffälle vor. Viele be- 
trafen zwar die Ausübung des Gewerbes, die meisten jedoch Streitigkeiten, 
die begleitet waren von gegenseitigen Beschimpfungen oder Raufhändeln. 
Alkohol ist nicht selten die Ursache hievon. Der Alkohol verleitete die Leute 
zu allerhand dummen Streichen: der eine machte „nächtlicher Weile im Markte 
ein schreckliches Geschrei", der andere schlug einem Leinweber die Fenster ein; 
übermütige Leinweberknappen warfen einen leeren Heuwagen eines Bauers 
aus Waldzell in der Griesgasse in den Bach (Strafe über 7? fl). Ein stark 
bezechter Rieder Bierbrauer erlaubte sich, bei einem Ritte von Lohnsburg 
herein sein Pferd im vollen Lauf über den Marktplatz zu „zwingen" (Strafe: 
IV2 fl.). Der Leinweber Tünzl kommt in bekrunkenem Zustande mit einer 
Hellerbarte vor das Haus des Ringmachers Fischer, forderte ihn heraus und 
verletzte ihn an seiner Ehre (2 fl. Strafe). Ein voll Bezechter schlug die 
Torwartlin am Kopfe. Das Abhandensein der Vernunft ist kein Milderungs- 
grund. Er wird hart bestraft: 2 Tage und 2 Nächte kommt er in den 
„Springer" und muß außerdem 1 fl. zahlen. Auch der Marktwächter hatte 
bei der nächtlichen Wacht keine Ruhe: der Zeilingerwirt nimmt ihm den 
Spieß ab, schlägt damit auf ihn los. Der Spieß bricht (Strafe 3 fl.). 
Nicht selten kommt „Ungebühr" vor, ein „Jnjuri-Handel" oder „Rumor", 
wenn zwei gegeneinander ».Unwillen haben". Der Hofmüller, der unruhige 
Geist, bedachte bei solchem Unwillen den Wirt mit einem „Maulstreich" (2 fl., 
2 Schillinge und 20 Pfennige Strafe, also bedeutend teurer als heutzutage!). 
Und bald darauf machte es der Müller am Tegl nicht besser. 
Es raufen die Müller untereinander; es raufen die Bäcker; es schlagen 
sich die Leinweber; es rauft der Bürger mit dem Leinweberknappen. Und 
die Bierbrauer finden sich bei den Wirten zusammen, um raufen zu können. 
Und selbst vor Herrn Veit, dem Vikari zu Tumeltsham, hat der Rieder 
Bürger nicht die nötige Achtung. Ein Bäcker schlug ihn „blutrünstig" und 
zahlte hiefür 4 fl. Auch der „deutsche Schulmeister" ist nicht sicher; der 
Drexler droht ihm mit den Worten: er wolle ihn um die Haut schlagen. 
(Strafe über 1 fl ). Handwerkerneid und Spielwut sind weitere Ursachen 
der Streit und Raufhändel 
Das (später auch der) Wandel = Ersatz, Genugtuung, Buße. Daher Gerichts- 
wandet — die bei Gericht auserlegte Buße (Bußgeld).
	        
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