Volltext: Heimatkunde 1. Heft (1. Heft)

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ganzer haben in Deutschland schon längst dasselbe getan und es tut einem 
das Herz weh, wenn man im Verzeichnisse der „Deutschen Gefchichtsblätter" 
(IV. Bd. 1903, S. 243 ff.) alle reichsdeutschen Länder vertreten sieht, von 
Oesterreich aber nur Böhmen, Krain, Vorarlberg und die Stadt Jglau. Von 
Oberösterreich natürlich keine Spur! Sollen wir denn immer zurückbleiben? 
Es muß anders werden. Schon einmal hat sich ein Benediktiner, P. Gerard 
Bautraxler, bemüht, durch einen Aussatz in den „Christlichen Kunstblättern" 
(1869, Nr. 5) das Material zu einer Glockenkunde von g a n z Oberösterreich 
zu sammeln. Wie weit es ihm geglückt ist, weiß ich nicht. Nur das eine ist 
sicher, daß die Glockenkunde von Oberösterreich nicht veröffentlicht wurde und 
demnächst auch nicht erscheinen kann. 
Nun wollen wir zunächst innerhalb eines kleinen Bezirkes diese Arbeit 
leisten. Dann werden sich auch in den übrigen Bezirken Leute finden, die 
uns nacheifern. Denn nur so wird es möglich sein, eine Glockenkunde von 
Oberösterreich zu schreiben. Aber hiezu ist auch höchste Zeit! Denn wie viele 
alte Glocken sind schon eingeschmolzen worden, von denen wir gar keine 
Nachricht mehr haben. In dieser Hinsicht möchte ich zunächst Dich, lieber 
Pfarrherr, um ein doppeltes bitten. Erstens sollst Du eine genaue Beschreibung 
der Glocken (wie ich es Dir weiter unten angeben werde) in die Pfarrchronik 
eintragen und zweitens wäre es sehr erwünscht, besonders alte Inschriften 
auch auf den neuen Glocken anbringen zu lassen. Das verlangt schon die Pietät, vor 
allem wenn das Metall der alten Glocke für die neue wieder verwendet wird. 
Doch noch eins! Du bist vielleicht Vorstand irgend einer Bibliothek. 
Ich weiß es gewiß, daß die Leute Interesse daran haben, über die Glocken, 
ihre Bereitung, ihre Schicksale im Laufe der verschiedenen Jahrhunderte 
etwas Näheres zu erfahren. Sie wollen auch nicht immer mit unwahren 
Romanen abgespeist werden, die ihnen eine Welt vorzaubern, die für sie un- 
erreichbar ist. Damit macht man sie nur unzufrieden mit ihrem Lose. Wenigstens 
mir ist es in meiner Jugend öfter so ergangen. 
Es würde daher gewiß nicht schaden, wenn Du das eine oder andere 
Buch über Glockenkunde anschaffst. Du wirst es selbst mit Nutzen lesen. Ich 
nenne Dir hier nur das beste: Otte, Glockenkunde, 1884 in zweiter Auf- 
läge in Leipzig erschienen. Aber auch der einfachste Mann wird Gefallen 
finden an den „Glockensagen", die G. Pasig gesammelt und im Jahre 1880 
herausgegeben hat. 
Kehren wir zurück in die Glockenstube! Die Glocke besteht aus der 
Wandung oder dem Mantel, der nach unten zum Schlagring oder Kranze 
verdickt ist. Der Mantel geht nach oben über in die Haube, die durch die 
Platte abgeschlossen wird. 
1. Zunächst ist die Form der Glocke festzustellen. Wir unterscheiden 
den Bienenkorb, die Zuckerhutform und die gotische Rippe. Die erstgenannte 
Form (Bienenkorb) ist die älteste und war bis zum Ende des XII. Jahr- 
Hunderts gebräuchlich. Schon der Name gibt ein Bild ihres Aussehens. „Sie 
ist mehr breit als hoch, die Flanke fällt fast senkrecht ab, die Haube ist rund 
gewölbt, der Schlag ladet nur wenig aus und die Schärfe ist nicht spitz 
zugeschnitten, sondern breit rechteckig." So ist die sogenannte Lullusglocke 
in Hersfeld aus der Zeit um 1059 gebildet.
	        
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