Volltext: Heimatkunde 1. Heft (1. Heft)

Wächter gar manches, aber er plauderte nicht. Diese Tugend wußten unsere 
Vorfahren gar wohl zu schätzen. 
Wie profan und nüchtern dagegen spielt sich heute der Sicherheitsdienst, 
der von den modern uniformierten Sicherheitsmännern besorgt wird, ab I Da 
war's früher doch gemütlicher. 
Mit einigen Worten will ich noch des Sicherheitswesens in meiner 
Jugend gedenken. In früheren Jahrzehnten hatten am Lande und in kleinen 
Städten und Märkten die Gemeinden die ökonomische Gepflogenheit, alte In- 
validen, die sonst dem Armenmstitute anheimgefallen waren, als Sicherheits- 
Wachmänner, „Polizeidiener" genannt, anzustellen. So waren in meiner Jugend- 
zeit im Markte Ried zwei Polizeidiener angestellt. Der eine, namens Schmölz!, 
hatte eine verkrüppelte Hand, der andere, namens Müller, war so wohlbe- 
leibt und unbeweglich, daß er fast im eigenen Fett zu ersticken drohte. Diesen 
war vorgesetzt ein von der Gemeinde-Vertretung ernannter „Polizei-Kommissär", 
in meiner Jugend der Bürstenbindermeister Gottwindtner, Besitzer des Hauses 
Nr. 2am Holzplatze, damals Tandlmarkt genannt. Dieser Polizeikommissär 
machte seinem Stande alle Ehre; denn er soff dem Sprichworte gemäß „wie 
ein Bürstenbinder". Wenn niemand im ganzen Markte ein Spektakel machte, 
so war es dann sicherlich der Herr Polizeikommissär, der ein Höllenspektakel 
veranlaßt«, dabei aber immer seine Würde als Polizeikommissär hervorkehrend. 
Daß unter solchen Verhältnissen die Polizei sich eines geringen Respektes er- 
freute, läßt sich leicht denken. 
Rar eines will ich noch erwähnen. In den 1830ger Jahren, als ich 
noch em Schulknabe war, hatte man das Schlittenfahren am Kapuzinerberge 
verboten. Wir Kinder kümmerten uns aber wenig darum und fuhren fleißig 
drauf los. Wenn nun manchmal der Ruf erschallte: „Der Schmölzl kommt I 
Der Müller kommt!", so liefen wir alle auf die Höhe des Berges, fuhren 
zum größten Gaudium gleichzeitig in Masse den Berg hinunter und den 
Polizeidiener über den Haufen, ohne daß er einen Buben oder einen Schlitten 
erfassen konnte. 
Und doch hörte man selten von einem gröberen Unfug oder einer 
Gesetzesverletzung, obgleich damals viel mehr fahrendes Gesindel durch unsere 
Stadt kam als heute. 
Nach dieser kurzen Abschweifung will ich wieder zu unseren Nachtwächtern 
zurückkehren. Die Gemeinde-Vertretung beschloß, sie als unzeitgemäß zu be- 
fertigen. Doch wurden sie noch einige Jahre mit der Verpflichtung beibehalten, 
die beigestellten Kontrolluhren statt der bisherigen zur Kontrolle ihrer Wach- 
samkeit geübten Nachtwächterrufe regelmäßig aufzuziehen. Diese Kontrolluhren 
waren an verschiedenen Häusern auf dem Wege, den der Nachtwächter zurück- 
zulegen hatte, angebracht. Der Wächter mußte das Verfchlußtürl des Kastens, 
in dem sich die Uhr befand, aufsperren und mit dem daselbst liegenden, an 
einer Kette befestigten Schlüssel zu jeder Stunde die Uhr aufziehen. Ein in 
der Uhr befindlicher Papierstreifen, der durch einen Stift einen Eindruck er- 
hielt, zeigte genau Stunde und Minute an, in der der Wächter seiner Pflicht 
nachgekommen war. 
Doch die Uhren bewährten sich nicht lange. Die Wächter hatten es bald heraus- 
gefunden, wie diese Kontrolle zu umgehen sei, und die mit großen Kosten ange- 
schafften Uhren mußten nach einigen Jahren wieder außer Gebrauch gesetzt werden.
	        
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