Volltext: Heimatkunde 1. Heft (1. Heft)

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mich behalten. Sobald es nur möglich ist — mit ein paar Dutzend Be- 
richten — fange ich schon an und schreibe das alles zusammen und lasse es 
hier wieder abdrucken, das verspreche ich Dir. In ganz kurzer Zeit soll es 
hier erscheinen als Beweis, daß im Jnnviertel eine Menge schöner Sagen er- 
zählt werden, und als Beweis, daß die Jnnviertler ebenso freudig für ihr 
altehrwürdiges Volksgut einstehen, wie die Leute anderswo. 
Noch immer schüttelst Du den Kopf? Na, wart nur! Da wollen wir 
gleich mit einer ganz bestimmten Gattung von Sagen den Anfang machen. 
Du hast gewiß schon von den 7 Schwaben gehört, die mit einem lange«, 
langen Spieße auf Abenteuer ausgezogen und vor einem — Hasen davon¬ 
gelaufen sind? Auch in Schilds lebten derartige Leute, nur waren es nicht 7, 
sondern 777. Die haben die Sonne in Säcken auffangen und in das finstere 
Rathaus tragen wollen, das sie ohne ein einziges Fenster erbaut hatten. 
Einen dummen Streich nach dem anderen haben die Schildbürger gemacht, 
am Ende gar noch in ihrer Narretei die ganze Stadt in Brand gesteckt und 
dann sind sie ausgezogen in alle Welt und haben ihr Narrentum überall 
hingetragen. 
Und als man anderswo die Volkssagen sammelte, hat man eine Menge 
von solchen Streichen und Stücken entdeckt. Natürlich die Schuld daran hatte 
so ein eingewanderter Schildbürger. Und unser Jnnviertel ist doch so ein 
herrliches, fruchtbares, gesegnetes Land! Die Hunnen sind hergezogen in 
alter grauer Vorzeit, die Ungarn, die Franzosen! Nur von den Schild- 
bürgern sollte keiner hergekommen sein? Aha, mein lieber Leser, jetzt ist Dir 
das Kopfschütteln vergangen. 
Also, ich bitt' recht schön, erzählt mir von dummen oder doch nicht 
ganz gescheiten Stückln, die hier im Jnnviertel einer Ortschaft nacherzählt 
werden. Oft ist diese Geschichte schon so kurz geworden, so zusammenge- 
schrumpft, daß sie sich nur mehr als eine kurze Erklärung für einen Ueber- 
namen oder Spitznamen darstellt, womit sich die Leute benachbarter Orte 
necken. 
Damit man ganz deutlich sehe, was ich meine, will ich drei ganz kurze 
Beispiele dieser Art aus dem übrigen Oberösterreich mitteilen'): 
a) Aus dem Kirchturm zu Steinbach wuchs reichlich Gras. Abmähen 
konnten sie es nicht, verderben wollten sie es auch nicht lassen und so nahmen 
sie einen Schimmel her und banden ihm einen Strick um den Hals, um ihn 
so auf den Turm hinaufzuziehen. Er sollte das Gras dort oben abweiden. 
Als er schon ein gutes Stück den Turm hinaufgeseilt war, reckte er die 
Zunge heraus. „Seht's", meinten die Steinbacher, „wie er schon darauf los¬ 
frißt." Seither heißen die von Steinbach die „Schimmelhänger". 
b) Wenn sich im Sommer auch nur von ferne ein schwaches Wölklein 
sehen ließ, da Huben die von St. Georg allsogleich mit allen Glocken zu 
läuten an. Deshalb heißen sie heute noch die „Wetterläuter". 
c) Die Vöcklamarkter sind als „Heil. Geistschützen" bekannt. Als sie 
nämlich zu Pfingsten keinen heil. Geist hatten, den sie sonst von einem Loch- 
der Kirchendecke herabschweben ließen, verflog sich eine Taube in die Kirche. 
l) Aus Baumgartens „Volksmäßiger Ueberlieferung der Heimat". 24. Bericht de&> 
Mus. Franc.-Carol. Linz 1864, S. 170 ff. 
Rieder Heimatkunde 4.
	        
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