Volltext: IX. Jahresbericht des Mädchen-Lyceums in Linz 1898 (9. 1898)

VIII. Chronik. 
Ueber die am \2. Juli am Mädchen-Lyceum veranstaltete Ausstellung 
der Zeichnungen und Landarbeiten der Schülerinnen schreibt die Linzer 
„Tages-Post" : 
„Die Handarbeiten von den Strickmustern der I. Elaste bis zu den Stickereien 
und Spitzenarbeiten der letzten Elaste zeigten tadellose, reine Ausführung, geschmackvolle 
Anordnung. Die Mädchen fertigten die im Hauswesen nöthigen Handarbeiten, wie auch 
die feinsten und mühsamsten Lurusarbeiten mit gleicher Sorgfalt. Die Zeichnungen, 
die Heuer das erstemal vorgelegt wurden, bekundeten ebenfalls die besondere Tüchtigkeit 
des Lehrers, der nicht nur selbst Kunstwerke zu schaffen versteht, sondern auch die 
Geduld und das Verständnis besitzt, die Schülerinnen zur exacten Ausführung und 
Nachbildung stilvoller Vorlagen und Modelle und selbst zu Leistungen, die über den 
Rahmen der Schulbildung hinausreichen, anzuleiten. Die Ausstellung, die zahlreich 
besucht war, fand allgemeine Anerkennung." 
Das „Linzer Volksblatt" schreibt: 
„Ls war ein glücklicher Gedanke, die Zeichenblätter an der wand zu befestigen 
und sie nach Elasten zu ordnen; so wird das planmäßige im Zeichenunterrichte jedermann 
auffällig. Zn der I. Elaste findet natürlich ein Massenunterricht statt, der sich auf 
Bleistiftzeichnungen beschränkt, nur Kreis und Ellipse werden mit der Feder ausgezogen. 
Die II. Elaste geht schon zur Spirale über, füllt das, was im Vorjahre nur schraffiert 
wurde, mit einfachen Aquarelltönen aus und wird mit den Anfangsgründen der per- 
fpectivischen Zeichnung bekannt gemacht. Das folgende Schuljahr arbeitet mit der 
Kreide nach Grnament-Gipsmodellen und führt Flachornamente der Antike und 
Renaissance mit Feder und Aquarellfarbe aus. Lin pausieren ist im letzteren Falle 
nicht möglich, da die Vorlagen alle vergrößert werden müssen. Umso ansprechender 
wirkt die reine und feine Ausführung, die ich bei jeder Schülerin der drei Unter¬ 
classen lobend hervorheben muss. Linzelne Federzeichnungen zeigen sich in der Linien¬ 
führung so scharf und sicher, dass man glaubt, Stiche vor sich zu haben. Die drei 
Gberclaffen genießen wöchentlich nur zwei Stunden Unterricht. Ls ist geradezu unbe¬ 
greiflich, dass sie trotzdem innerhalb eines kurzen Jahres so Erstaunliches zu leisten 
imstande sind. Die für kirchliche paramentik berechneten stilisierten Blumen (Rosen, 
Lilien, Disteln), sowie die Majolien beweisen, dass die IV. Llaffe Feder und Pinsel mit 
ganz außerordentlichem Fleiß und Geschick gehandhabt. Die V. Llasse übt sich an 
Kopfzeichnen nach Vorlagen und Reliefabgüssen hauptsächlich aus der Antike. An jeder 
einzelnen Arbeit, keine ausgenommen, ist alles auf das sorgfältigste durchgebildet. 
Einige von den Schülerinnen verrathen sogar ganz entschieden künstlerische Veranlagung. 
Linen glänzenden Abschluss macht die VI. Elaste. Da fand ich unter anderem einen 
Knabenkopf, der mit weicheren Formen und mit einem seelenvolleren Auge kaum mehr- 
gezeichnet werden kann, und eine Kreidezeichnung, die keine Schularbeit mehr, sondern 
das Werk einer Meisterhand ist. Sie stellt ein einfaches Weib aus dem »dolce Napoli« 
vor. Kopf und Büste sind herrlich gelungen, das Stoffliche daran unnachahnrlich gegeben. 
Das Lyceum ist zu einem Professor wie Lorenz nur vom Herzen zu beglückwünschen, 
und dem Lehrer bringt die Ausstellung die große Freude, sehen zu können, dass er nicht 
unverstanden an der Anstalt gewirkt hat." L. Z. Bermanschläger. 
Das Schuljahr s897/98 wurde am ^7. September mit einer feierlichen 
Heiligengeistmesse in der Llisabethiueriuueu-Kirche, celebriert von dem Religions¬ 
lehrer Herrn Domprediger Ludwig Bermanschläger, eröffnet.
	        
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