Volltext: VII. Jahresbericht des Mädchen-Lyceums in Linz 1896 (7. 1896)

derselben wirken will; die höhere Ausbildung ist nothwendig, weil sie sich 
dadurch auch jene Specialkenntnisse erwirbt, vermöge deren sie die ihr An¬ 
vertrauten mitunterrichten, sie zu tüchtigen Menschen heranbilden, sie lehren 
kann, was es heißt, seine Pflicht erfüllen, sich einer Autorität unterordnen, 
sich in einen ganzen Organismus hineinfügen, weil sie ihnen echte Vater¬ 
landsliebe, wahre Frömmigkeit und ein starkes Gottvertrauen einflößen kann. 
All' dies bringt nur die Frau von echter, vertiefter Bildung zustande. 
Es drängt inich, an dieser Stelle zu sagen, dass es eine unverant¬ 
wortliche Pflichtversäumnis der Eltern ist, wenn sie ihren Töchtern nicht mit 
den: gleichen Ernste, der gleichen Antheilnahme, der gleichen Mithilfe auf 
deren Bildungswege beistehen als wie den Söhnen. Es ist geradezu ent¬ 
würdigend und ungerecht, es ist eine völlig unrichtige Auffassung, eine gänz¬ 
liche Verkennung der väterlichen oder mütterlichen pflichten, wenn es heißt: 
Für das Mädchen ist dies oder das genug, wenn es eben weitaus nicht 
genug ist. Die beste Mitgift, welche die Eltern ihren Töchtern mitgeben 
können, ist ein tüchtiges Wissen und eine Körper und Geist in gleich har¬ 
monischer Weise zur Entfaltung und Blüte bringende Bildung. Denn nur 
auf Grundlage einer solchen gleichmäßigen Ausbildung des Geistes, der 
Willenskraft und des Gemüthes werden auch die Frauen befähigt, das 
geistige Streben des gebildeten Theiles des Volkes zu erfassen, sich mittelbar 
oder unmittelbar selbst daran zu betheiligen, kurz, alle Aufgaben der Frau 
in dem engeren Kreise der Familie und in den weiteren der staatlichen und 
menschlichen Gesellschaft in würdiger, standesgemäßer weise zu erfüllen. 
Was hilft der Frau, der Mutter, alles vermögen, wenn sie sich z. B. 
mit der Bildung nicht auch die Fähigkeit erworben hat, ihre Kinder, Söhne 
und Töchter, zu führen, zu leiten, sie zum Guten und Edlen zu berathen, 
wenn sie, ungebildet wie sie ist, in kurzer Zeit von ihren Kindern verachtet 
wird, wenn sie belächelt wird, die ungeschickte, ungebildete Person, wenn 
dann die Herren Söhne thun, was sie wollen und das ganze mütterliche 
vermögen vergeuden? Es kann gar nicht anders sein; nur die geringe Bildung 
der Frau ist Ursache des Unglückes in der Familie. Wie lange dauert wohl 
die Liebe des Mannes, wenn sie nicht mit Achtung gepaart ist? Kuf wen 
geht die Missachtung gegenüber der Frau über? Auf die Kinder gegenüber 
der Mutter. Und aus einer Familie, in welcher der Einfluss der Mutterliebe 
verlorengegangen ist, ist das Glück entwichen. 
Es ist wahr, dass es Ausnahmen gibt, dass es auch hochgebildete 
Frauen gibt, die übermäßig große Ansprüche an die Vergnügungen und 
Kostbarkeiten des Lebens stellen und deshalb der Familie zum Unglück werden; 
aber ebensowenig ungebild-ete Frauen werden Glück in das Haus gebracht 
haben. 
Gerade in diesem Punkte liegt auch die Bedeutung der Frau, vom 
Standpunkte der Volkswirtschaft aus betrachtet.
	        
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