Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

71 
•woiss, verzögert kohlensaures Natron clie Milchgerinnung. Damit nun 
•die Blutfibringerinnung nicht durch die Anwesenheit von Blutnatron 
verzögert wird, scheidet der Organismus beim Bieber in kürzester 
Zeit aus dem Blute so viel Natron tpis, dass schliesslich auf der Höhe des 
Fiebers nur noch Spuren von Natron mit dem Urin ausgeschieden werden 
und das Blut ganz natronarm ist. Wir sehen also, wie die Natur 
heilkraft das syphilitische Gift durch ihre Kampfesmittel: Entzündung 
und Fieber, unschädlich macht. Machen wir es ihr nach. 
Das Mittel zur Unterstützung ähnlicher Heilvorgänge heisst Bettruhe. 
Es giebt kein Mittel der Naturheilkunde, welches einen so gefahrlosen und 
fieberähnlichsten Zustand erzeugt als das Verhalten im Bett, wo die eigene 
Körperwärme ein Heilfieber anfacht, bei welchem sich alle Erscheinungen 
des Heilfiebers, wenn auch in abgeschwächter Form, einstellen. Nur die 
Ueberhebung gewisser Grössen konnte es zuwege bringen, dass man der 
Bettruhe als physiologisches Mittel keine Beachtung auf einem Naturärztetage 
.zu schenken schien, weil dieses Verrfahren „auch die Allopathen“ anwenden. 
Ich habe durch Bettruhe nicht nur die Syphilis, sondern auch schwere Tripper- 
Erkrankungen der Blase, der Nieren, und der Eileiter heilen sehen. Es giebt 
aber auch kein Mittel der Welt, das so die eigenen Schutzkräfte des Orga 
nismus wachruft, als die im Bett erzeugte und erhöhte Eigenwärme des 
Körpers. Und wie mild ist dieses Heilfieber der Bettruhe nicht gegenüber 
-dem kräfteverzehrenden Fieber bei der Schrothschen Kur? 
Wenn also jemand syphilitisch infiziert ist, wenn er Schwere in den 
Gliedern, Frostanfälle, Frieren, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, schmerz 
hafte Empfindungen an verschiedenen Körperstellen merkt, so hat die Natur 
heilkraft das syphilitische Fieber eingeleitet und es giebt jetzt kein besseres 
Heilmittel, als dass der Kranke einmal 2—3 Wochen im Bett bleibt. Unter 
dem Gebrauch leichter, schweisstreibender Getränke, z. B. Lindenblüthen-, 
Brombeerblätter- oder eines anderen harmlosen Thees wird nun das Fieber 
unter Schweisskrisen wochenlang auf einer milden Höhe erhalten, die 
Freiudstoffe werden eingesargt und unschädlich gemacht. Zur Unter 
stützung der Ausscheidung gebe man noch an jedem zweiten Morgen eine 
feuchte Ganzpackung im Bett und warte ruhig der Dinge, die da kommen. 
Auf das örtliche Geschwür legt man nur fleissig kühle Priessnitzkompressen 
auf, welche wegen ihrer Eiter und Fremdstoffe aufsaugenden Wirkung 
bekannt sind. 
Wenn sich im II. sub aku ten Stadium bereits syphilitisches Gift 
abgelagert hat, da kann es bei einer Naturheilung nicht anders-als zu einer 
örtlichen Entzündung — Ausschwitzung von Fibrin — kommen. Deshalb 
sind die sich einstellenden Ausschläge, Pusteln, Geschwüre etc. nichts anderes 
als Heilentzündungen, durch welche das syphilitische Gift in einen Fibrinsarg 
eingebettet wird. 
Nach Verlauf einiger Wochen, wenn sich durch die Bettruhe und 
durch die anderweitige Behandlung (vegetarische Kost, frische Luft, leichtes 
Schwitzen und einige ausscheidende Packungen] der floride Zustand der 
syphilitischen Infektion gelegt hat, wenn keine neue Pusteln, Ausschläge etc. 
das Fortschreiten der Blutinfektion andeuten, muss man das Heilfieber cleg 
Körpers erhöhen. Dies geschieht durch heisse Bäder.*) 
Es ist durchaus fälsch, dass der Syphilitische aus Rücksicht auf die 
Geheimhaltung seiner Krankheit seinem Beruf nachgeht. Sollen die heissen 
Bäder ihren Zweck als Heil- und Fiebermittel erzielen, so muss der Kranke 
nach dem Gebrauch derselben gleiclüalls auf einige Zeit Bettruhe innehalten, 
denn nicht das kurze Zeit andauernde, sondern das. langdauernde Fieber 
schafft die Bedingungen zur Vernichtung des syphilitischen Giftes. 
Ich gebe deshalb täglich ein bis zwei heisse Wannenbäder von 
*) Siehe auch Nr. 2, 189S d. Ztschft. über: die Bäder als Heilmittel. bei der 
Wärmearmut.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.