Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

menschlichen Körpers. Sie sind gut verschlossen und werden oft in Kom 
posthaufen entleert. Auch hat man durch ein entsprechendes Verfahren 
die Massen in Staub verwandelt und sie so versandfähig gemacht. Für- 
kleine Städte kann diese Behandlungsart der Abfuhr geradezu als ideal 
bezeichnet werden; denn während dieselbe einesteils allen hygienischen An 
forderungen entspricht, bringt sie andererseits bei geringen Kosten grossen 
Nutzen. 
Wir Grossstädter sind freilich so verwöhnt, neben den hygienischen 
und pekuniären Forderungen auch noch solche ästhetischer Natur zu kennen, 
und infolgedessen durfte Liernur, der Erfinder des pneumatischen 
Systems auf Verwirklichung seiner freilich kostspieligen Erfindung rechnen. 
Er verband nämlich die Tonnen durch wasser- und luftdichte Rohre mit. 
hermetisch (luftdicht) verschlossenen Gruben, aus welchen er die Luft aus 
pumpen lässt. Der Effekt wird bei den Abortanlagen derselbe sein, wie 
bci der Spritze; die Exkremente werden durch den Luftdruck ohne Hilfe- 
jener unheimlichen Gestalten der Nacht, welche bei uns in so „üblem. 
Gerüche“ stehen, in die Zeytralgrube befördert, um daselbst durch Ver 
dampfung in jenes staubförmige Düngemittel verwandelt zu werden, welches 
wir schon oben erwähnten. Leider findet man diese Einrichtung nur in 
ausserdeutschen Städten, während sich die, deutschen Grossstädte mit einem 
anderen System, dem Kanalisations- oder Schwemmsystem behelfen* 
„Wasserklosett“ ist das Stichwort für diese Art der Städtereinigung und 
der wissenschaftliche Fundamentalsatz hierfür lautet: „Die giftigen Gase 
der Abortgrube können bei Verschluss durch eine Wasserdecke nicht 
entweichen.“ 
Ist dieser Satz richtig? 
Aber streiten wir uns doch nicht über Dinge, die jedes Kind an der 
Blasenbildung auf der Wasseroberfläche erkennen kann, ganz abgesehen 
davon, dass Gase eine Flüssigkeit „sättigen“ werden, um sich dann von der 
Wasseroberfläche in derselben Weise in der Luft zu verbreiten, wie von 
der Oberfläche des Fäulnisproduktes aus. Wer seine Nase mitgebracht hat,, 
kann sich z. B. nach den Ferien in den Schulen mit Wasserklosett von der 
Anwesenheit solcher Gase trotz Wasservers'chluss überzeugen. 
Was uns hier, dank der Fähigkeit unseres edelen Riechorgans, durch 
mangelnde Ventilation während der Ferienzeit in verdichtetem Zustande zum 
Bewusstsein gelangt, schleicht sich ungerochen und darum unerkannt durch 
die Abfallrohre in Küche und Baderaum, und durch diese in die Wohn- und 
Schlafzimmer ein, indem der an den eiförmigen Wänden der Kanäle sich 
ansetzende zähe Schleim bei vermehrter Wassermenge die Gase zusammen 
drängt und in die Häuser presst. 
Diese Anlage hat aber neben der Vergiftung der Wohnungsluft und 
neben der Verseuchung des Grundwassers durch Versickerung aus den 
Fugen und Ritzen der Rohre noch den „Vorteil“, dass die Flüsse 
verunreinigt werden; denn weil nun einmal Wasser desinfiziert, so hat man 
die erwähnten Kanäle in Flüsse geführt. Dort versinken und v ersticken 
jene Millionen des Düngewertes, den Fischen zum Tode, den Menschen zur 
Krankheit und dem Kanalisationssystem zum „Ruhme“. 
Zum Glück erschien in Preussen eine Verordnung, welche das Einlassen 
des Kanalinhaltes in die Flüsse verbot. So wurde die Stadtverwaltung, 
gezwungen, Kläranlagen zu schaffen, von welchen die gerühmtesten 
und bekanntesten die Rieselfelder sind. Dieselben gelangten 
auf Grund der günstigen Erfolge in Edinburg und Danzig in mehreren 
deutschen Städten zur Einführung. Man hatte aber dabei die Wahrheit 
unbeachtet gelassen, dass sich eins nicht für alle schickt. So fliesst. 
der grösste Teil der Klärwässer in Edinburg heute noch ins Meer,, 
wo er bei der ungeheuren Wassermasse des salzigen Meerwassers keinen 
Schaden anzurichten vermag, während in Danzig durch das sandige,, 
magere und durstige Dünengebiet die Verhältnisse so ausserordentlich
	        
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