Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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bis heutigen Tages Dampfbäder genommen oder verordnet hat, der 
hat Luftbäder genommen oder verordnet. Es ist ein Irrtum, dass 
wir Dampfbäder haben; sowohl die russisch-römischen, als auch die 
Kastendampfbäder sind nichts anderes, als durch Wasserdampf er 
wärmte Luftbäder. Der Beweis dafür ist nicht schwer. 
Das gewöhnliche tropfbar flüssige Wasser kann sich nach zwei 
Richtungen hin verändern. Durch Kälte wird es ein fester Körper, 
nämlich Eis, durch Wärme ein ausdehnbar-flüssiger Körper — der 
den Gasarten verwandte Wasserdampf. Während sich das Eis bei 
einer ganz bestimmten Temperatur bildet, die Celsius und Reaumur 
als Nullpunkt bezeichnen, bildet sich Wasserdampf bei jeder Tempe 
ratur, freilich zunächst nur an der Oberfläche des Wassers. Wenn 
man aber mehr und mehr Wärme zuführt, so tritt endlich überall die 
Dampfbildung ein, besonders stark an der Fläche, die der Erhitzung 
ausgesetzt ist. Man sagt dann, das Wasser siedet. Der Dampf teilt 
sich dann der umgebenden Luft mit. 
Der Wasserdampf ist vollkommen trocken, durchsichtig 
und farblos. Was wir im gewöhnlichen Leben Dampf nennen — 
die weisse Säule, die aus der Lokomotive oder der Dampfmaschine 
aufsteigt — ist kein Dampf, sondern — Nebel. Sobald nämlich der 
Dampf mit der kälteren Luft in Berührung kommt, verwandelt er 
sich wieder in Wasser. Dabei werden unendlich kleine, feine Wasser 
bläschen gebildet, die so leicht sind, dass sie in der Luft schwimmen. 
Die Bläschen aber lassen das Licht nicht mehr durch, sondern reflek 
tieren und zerstreuen es; darum nehmen sie die weisse Farbe an. 
Diese Bläschen besitzen aber auch keine Spannkraft und kein Aus 
dehnungsvermögen mehr: es gehen ihnen die wichtigsten Merkmale 
des Wasserdampfes verloren. Wenn der heisse Wasserdampf mit 
kälterer Luft in Berührung kommt, so tritt derselbe Vorgang ein, 
den wir im Frühjahr in der Natur oft beobachten. Die Luft hat das 
Bestreben, Wasserdampf in sich aufzunehmen und zwar kalte Luft wenig, 
warme je nach dem Grade der Wärme mehr und mehr. (Gesättigt 
nennt man die Luft, wenn sie die ihrer Temperatur entsprechende 
grösste Menge Wasserdampf aufgenommen hat.) Wenn im Früh 
jahre warme Südwinde über den kalten Erdboden streichen, so kühlt 
sich die warme Luft ab, kann nicht mehr soviel Wasserdampf be 
halten und scheidet einen grossen Teil desselben als Nebel aus, der 
dann die ganze Gegend einhüllt. Bei den sogenannten Dampfbädern 
erzeugen wir künstlich, durch Erhitzung des Wassers, den Wasser 
dampf. Bei den russischen Dampfbädern strömt dieser ca. 100 0 G. 
warme, trockene, durchsichtige und farblose Dampf in den Dampf 
raum, bei den Kastendampfbädern in den betreffenden Kasten und 
verwandelt sich dort durch Berührung mit der viel kühleren Luft in 
feinste Wasserbläschen (Nebel), die in der Luft schwimmen und der 
selben ihre Wärme mitteilen. Dieselbe ist sehr gross, denn Wasser 
vermag ausserordentlich viel Wärme aufzunehmen und im Wasserdampf 
zu binden (latente Wärme), die letzterer bei der Zurückverwandlung 
in Wasser wieder frei werden lässt. Wenn man darum sagen wollte, 
da kann man ja die Luft auch auf andere Weise erwärmen, z. B. durch 
eine Spiritusflamme, so ist dem zu entgegnen, dass das nicht nur 
unpraktisch wäre, weil der Dampf eine viel schnellere und zwar 
genau regulierbare Wärme hersteilen lässt und zweitens, weil mit
	        
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