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bis heutigen Tages Dampfbäder genommen oder verordnet hat, der
hat Luftbäder genommen oder verordnet. Es ist ein Irrtum, dass
wir Dampfbäder haben; sowohl die russisch-römischen, als auch die
Kastendampfbäder sind nichts anderes, als durch Wasserdampf er
wärmte Luftbäder. Der Beweis dafür ist nicht schwer.
Das gewöhnliche tropfbar flüssige Wasser kann sich nach zwei
Richtungen hin verändern. Durch Kälte wird es ein fester Körper,
nämlich Eis, durch Wärme ein ausdehnbar-flüssiger Körper — der
den Gasarten verwandte Wasserdampf. Während sich das Eis bei
einer ganz bestimmten Temperatur bildet, die Celsius und Reaumur
als Nullpunkt bezeichnen, bildet sich Wasserdampf bei jeder Tempe
ratur, freilich zunächst nur an der Oberfläche des Wassers. Wenn
man aber mehr und mehr Wärme zuführt, so tritt endlich überall die
Dampfbildung ein, besonders stark an der Fläche, die der Erhitzung
ausgesetzt ist. Man sagt dann, das Wasser siedet. Der Dampf teilt
sich dann der umgebenden Luft mit.
Der Wasserdampf ist vollkommen trocken, durchsichtig
und farblos. Was wir im gewöhnlichen Leben Dampf nennen —
die weisse Säule, die aus der Lokomotive oder der Dampfmaschine
aufsteigt — ist kein Dampf, sondern — Nebel. Sobald nämlich der
Dampf mit der kälteren Luft in Berührung kommt, verwandelt er
sich wieder in Wasser. Dabei werden unendlich kleine, feine Wasser
bläschen gebildet, die so leicht sind, dass sie in der Luft schwimmen.
Die Bläschen aber lassen das Licht nicht mehr durch, sondern reflek
tieren und zerstreuen es; darum nehmen sie die weisse Farbe an.
Diese Bläschen besitzen aber auch keine Spannkraft und kein Aus
dehnungsvermögen mehr: es gehen ihnen die wichtigsten Merkmale
des Wasserdampfes verloren. Wenn der heisse Wasserdampf mit
kälterer Luft in Berührung kommt, so tritt derselbe Vorgang ein,
den wir im Frühjahr in der Natur oft beobachten. Die Luft hat das
Bestreben, Wasserdampf in sich aufzunehmen und zwar kalte Luft wenig,
warme je nach dem Grade der Wärme mehr und mehr. (Gesättigt
nennt man die Luft, wenn sie die ihrer Temperatur entsprechende
grösste Menge Wasserdampf aufgenommen hat.) Wenn im Früh
jahre warme Südwinde über den kalten Erdboden streichen, so kühlt
sich die warme Luft ab, kann nicht mehr soviel Wasserdampf be
halten und scheidet einen grossen Teil desselben als Nebel aus, der
dann die ganze Gegend einhüllt. Bei den sogenannten Dampfbädern
erzeugen wir künstlich, durch Erhitzung des Wassers, den Wasser
dampf. Bei den russischen Dampfbädern strömt dieser ca. 100 0 G.
warme, trockene, durchsichtige und farblose Dampf in den Dampf
raum, bei den Kastendampfbädern in den betreffenden Kasten und
verwandelt sich dort durch Berührung mit der viel kühleren Luft in
feinste Wasserbläschen (Nebel), die in der Luft schwimmen und der
selben ihre Wärme mitteilen. Dieselbe ist sehr gross, denn Wasser
vermag ausserordentlich viel Wärme aufzunehmen und im Wasserdampf
zu binden (latente Wärme), die letzterer bei der Zurückverwandlung
in Wasser wieder frei werden lässt. Wenn man darum sagen wollte,
da kann man ja die Luft auch auf andere Weise erwärmen, z. B. durch
eine Spiritusflamme, so ist dem zu entgegnen, dass das nicht nur
unpraktisch wäre, weil der Dampf eine viel schnellere und zwar
genau regulierbare Wärme hersteilen lässt und zweitens, weil mit