Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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Frau W., 30 Jahre alt, sehr schwach - gebaut, stark anämisch und 
körperlich herabgekommen, hatte sich als Folgen eines Wochenbettes eine 
allgemeine Peritonitis, Para- und Perimetritis zugezogen (heftige Schmerzen 
im Unterleib, Meteorismus, Erbrechen, kleiner Puls, freies Exsudat im 
Douglas’schen Kaum, Adhäsionen und Verdickungen im Peritoneum). Bei 
•der Aufnahme war die Patientin infolge vollständiger Entkräftung und durch 
die bisherige medikamentöse Behandlung herbeigeführter Appetitlosigkeit 
und Körperschwäche in einem Zustande äusserster Hilflosigkeit und Hin 
fälligkeit. 
Die Behandlung hatte ihr Augenmerk zuerst auf die Beseitigung der 
lokalen Entzündung (beruhigende Aufschläge, absolute Bettruhe, Spülungen, 
stemperaturherabsetzende Abreibungen) und auf Hebung des Allgemein 
befindens zu richten. Nachdem später die lokale Entzündung an dem Fehlen 
einer Temperatursteigerung und dem Nachlass der Druckempfindlichkeit als 
beseitigt diagnostiziert werden konnte, handelte es sich noch darum, die 
Desorption des serösen Exsudats und die Lösung der Verwachsungen zu 
veranlassen. 
Durch Anregung des Stoffwechsels in den Beckenorganen wurde nun 
die Aufsaugung der Adhäsionen und Exsudate wesentlich gefördert (Irri 
gationen der Scheide 38°—40°, Sitzbäder 27°—32°, feuchtwarme Umschläge 
und später Massage). Sehr erschwerend bei der Behandlung wirkte der 
seltene und sehr interessante Umstand mit, dass die Frau des öfteren in 
einen Zustand von Starrsucht verfiel, so dass der ganze Körper starr und 
ohne vom Willen beeinflusste Bewegung war, während die gespannten 
Muskeln passiven Bewegungen nur geringen Widerstand entgegensetzten 
und die Glieder in beliebige zum Teil sehr gezwungene Stellungen gebracht 
werden konnten, in denen sie dann verharrten. Das Bewusstsein war während 
-dieses kataleptischen Anfalls meist nicht ganz aufgehoben, sondern nur 
getrübt, eine Erinnerung an den Anfall hatte die Frau, sie behauptete auch, 
„alles gehört zu haben, ohne aber im geringsten sich bewegen gekonnt zu 
haben“. Herz und Atmung waren verlangsamt. Die Anfälle dauerten von 
Viertelstunden bis zu halben Tagen. Solche Anfälle hatte die Frau beinahe 
täglich, wie sie auch früher, vor ihrer Aufnahme in das „Sanatorium Bau 
mannsbad“, oft vorgekommen sind und für die Umgebung sehr beängstigend 
waren. Es handelte sich also auch darum, diese durch hochgradige Blut 
armut hervorgerufenen, anfallsweise auftretenden kataleptischen Starren zu 
beseitigen. 
Dadurch, dass es gelang, das Unterleibsleiden der Frau zu heilen, 
war auch die Möglichkeit zur Heilung von diesen kataleptischen Anfällen, 
die auf hochgradigster Blutarmut und Hysterie beruhten, gegeben. Die 
kombinierte Behandlung des Unterleibsleidens, der Anomalie der Blut 
beschaffenheit und Konstitution, wodurch eben die Störung in den Funktionen 
des Centralnervensystems zu stände gekommen war, führte zur vollständigen 
Heilung, ohne dass sich bis jetzt — nach D/2 Jahren — ein Kecidiv ein 
gestellt hätte. 
Frl. K., 24 Jahre alt, mittelgross, mässig kräftig entwickelt, war über 
1 Jahr schon krank und hatte weder bei Privatärzten noch in einer Univ.- 
Klinik Verständnis und Heilung für ihr Leiden gefunden. Und so kam 
-das unglückliche Mädchen in einem trostlosen Zustande in die Behandlung 
-des „Sanatoriums Baumannsbad“. 
Hochgradige Anämie und Chlorose, dadurch bewirkte Unregelmässigkeit 
in der Menstruation, neuralgische Beschwerden auf der Brust, im Unterleib, 
Sensibilitäts-, sowie auch Motilitäts-Störungen gaben bei ihrer Aufnahme in 
das „Sanatorium Baumannsbad“ ein Bild der Hysterie. Die Kranke be 
hauptete, nicht aufstehen, die gekrümmten Finger, die gekrümmten unteren 
Extremitäten und den gekrümmten Leib nicht gerade machen, nicht gehen, 
nicht stehen zu können, während die nähere Untersuchung ergab, dass die 
Kraft der Muskeln in Bezug auf andere Leistungen nicht vermindert war.
	        
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