Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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„Ergebt Euch keiner Manier“, ruft er uns zu, „keinem ein 
seitigen Wesen irgend einer Art, unter welchem Namen es auch 
auftrete! Wisst, verfälscht ist alles, was uns von der Natur trennt; 
der Weg der Natur ist derselbe, auf dem ihr Homer und 
Shakespeare notwendig begegnen müsst. Seht nur mit eigenen 
Augen und hört mit eigenen Ohren und lasst es Euch nicht kümmern, 
wenn sie Euch anfeinden!“ „Es geht uns alten Europäern“, klagt 
der Dichter an einer andern Stelle, „mehr oder weniger allen herzlich 
schlecht; unsere Zustände sind viel zu künstlich und kompliziert, 
unsere Nahrung und Lebensweise ist ohne die rechte Natur und 
unser geselliger Verkehr ohne eigentliche Liebe und Wohlwollen. 
Jedermann ist fein und höflich, aber niemand hat den Mut, gemütlich 
und wahr zu sein, so dass ein redlicher Mensch mit natürlicher 
Neigung und Gesinnung einen recht bösen Stand hat. Man sollte 
oft wünschen, auf einer Südseeinsel als sogenannter Wilder geboren 
zu sein, um einmal das menschliche Dasein ohne falschen Beigeschmack 
durchaus rein zu gemessen“, und weiter heisst es: „Als neulich der 
Schnee lag und meine Nachbarskinder ihren Schlitten auf der Strasse 
probieren wollten, sogleich war ein Polizeidiener da, und ich sah die 
Dingerchen fliehen, so schnell sie konnten. Es darf kein Bube mit 
der Peitsche knallen oder singen, sogleich ist der Gendarm da, es 
ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebe Jugend 
frühzeitig zahm zu machen und alle Natur auszutreiben.“ 
Wahr ist ferner das Wort des Meisters, das besagt, es irrten 
die Menschen, nur allein die Natur nicht. Sie sei ein Buch von dem 
grossartigsten, seltsamsten Inhalte. Zu einem Ganzen zu gelangen, 
sei schwer, wenn nicht völlig unmöglich; alle Systeme müssten daher 
scheitern, nur auf dem Wege der Natur, in strenger Befolgung dessen, 
was uns die Stimme in unserm Innern zur unerlässlichen Pflicht 
macht, kämen wir weiter. 
Erde, Wasser, Luft und Licht sind die Faktoren, denen die 
griechische Philosophie alles Leben, Dasein und die Gesundheit zu 
schreibt und Goethe lässt seinen Wasserphilosophen Thaies im Faust 
ausrufen: 0 .. „ .. , „ 
Heil, Heil aufs Neue! 
Wie ich mich blühend freue, 
Vom Schönen und Wahren durchdrungen. 
Alles ist aus dem Wasser entsprungen, 
Alles wird aus dem Wasser erhalten, 
Ozean gönn’ uns dein ewiges Walten! 
Wenn du nicht Wasser spendetest, 
Die Ströme nicht vollendetest, 
Was wären Gebirge, was Ebenen und Welt? 
Du bist’s, der das frischeste Leben erhält! 
Wenn wir das heute die medizinische Welt beherrschende Treiben 
verfolgen, die Serum- und Impftherapie, die Vivisektion und die stets 
wechselnde Arzneimittellehre, so fällt uns unwillkürlich des Meisters 
Geheimnisvoll .am lichten Tag 
Lässt sich Natur des Schleiers nicht berauben, 
Und was sie Deinem Geist nicht offenbaren mag, 
Das zwingst Du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. 
Den sogenannten Wissenschaftler, der alles Lebende zergliedern 
und dessen Teile gleichsam mit Händen greifen will, trifft des grossen 
Dichters Spruch:
	        
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