Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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geschmack hervorgelockt werde. Das dann leichtere Einspeicheln hat den 
Zweck das Stärkemehl teilweise in Vorzucker (Dextrin) zu verwandeln. 
Kann jedoch schon bei der Brotteigbereitung und im Backen dieser Um- 
setzungs- (Diastase) Prozess eingeleitet werden, so wird solches Brot Zunge 
und Gaumen besonders schmackhaft erscheinen und reichlicheren Speichel 
erzeugen. Gutes Einspeicheln hat aber auch noch einen zu überwindenden 
Kauwiderstand zur Voraussetzung. Die Speicheldrüsen arbeiten überhaupt 
am besten unter andauerndem Druck der Kinnladen. Das rechte Brot soll, 
wenn vorübergehend nötig, auch allein, ohne Zukost und Getränke in einer 
für die Ernährung zureichenden Menge gegessen werden können. Das kann 
aber nur dann der Fall sein, wenn der Mund ein tüchtiger Vorarbeiter des 
Magens ist. 
Näclistdem soll der Magen mit Hilfe der telephonischen Verbindung 
beider im Nachgeschmack dem Munde sagen, dass mit dem Genossenen 
etwas anzufangen sei. Ferner sollte im Brote soviel unverdaulicher Stroh 
hülsenballast als „echte“ Schweizerpillen enthalten sein, dass die Magensäfte 
leichtere Arbeit hätten, als wenn wie bei Pudding z. B. der Mageninhalt 
eine ganz gleichmässige Masse wäre, bei der die Magensäfte wohl ein- aber 
nicht aufschliessend durchdringen können. Damit kommen dann auch in 
den Darm die zu normaler Funktion unentbehrlichen Gährungs-, Lockerungs-, 
Spannstoffe. Dagegen dürfen die Hülsen auch nicht zu vorzeitiger Ent 
leerung reizen. 
Entspricht das Brot vorerwähnten gesundheitlichen Anforderungen, 
so sind das auch schon Vorzüge im haus wir t s ch a f tli ch en Sinne. In 
solchem Brote wäre dann eine richtige Grundlage geregelter Ernährung und 
teilweiser Krankheitsverhütung gefunden. Dieses sollte die Quintessenz 
beim Lebensmittel-Einkauf sein. Die Hausfrauen sollten sich durch die 
Kinderzungen über Broteinkauf belehren lassen. Die gute Qualität schliesst 
nicht aus, dass das rechte Brot auch billig sei. Brotpreis und Kornpreis 
können gleich sein, dann giebt es kein Feilschen mehr und in jeder Zeitung 
zeigt der Kornpreis demnächst gleichzeitig den Brotpreis an. Die Ausbeute, 
d. i. die Gewichts - Differenz zwischen Korn und Brot ist der Müller und 
Bäcker Verdienst. Bei Brot von Ganzkorn ist das ausführbar und heute schon 
annähernd erreicht. Das Ausgangsprodukt der rechten Brotbereitung sollte 
natürlich die billigere Koggen-, nicht die Luxusfrucht-Weizen sein. Weiter 
soll man verlangen, dass das Getreide, wie jede andere Speise im 
Haushalte vorher sauber gewaschen würde, zumal die Reinlichkeit mit der 
Haltbarkeit aufs innigste zusammenhängt. Ein einmaliger wöchentlicher 
Broteinkauf sollte genügen, damit das heute beinahe unbekannte aber 
durchaus nötige Element der Ruhe in den Haushalt einziehe. Brot soll 
nicht krümeln, auch sonst kein Abfall daran sein. Zuletzt soll die Um 
wandlung von Korn in Brot maschinell und möglichst ohne Unterbrechung 
stattfinden, damit ein Verderben des Mehles ausgeschlossen ist. 
Das führt mich schon zu den Vorzügen des rechten Brotes in volks 
wirtschaftlicher Hinsicht. Alles muss der Ernährung zu Gute kommen, 
das für unsere Kraft und Gesundheit Unentbehrliche darf nicht Viehfutter 
weiter bleiben, dann wird schon heute die heimatliche Ernte in dem Falle 
ausreichen, dass das bislang Ausgeschiedene dem Gewicht nach dem vom 
Ausland eingeführten Korn gleich ist. Der Volkswirt muss ferner verlangen, 
dass nach Möglichkeit der Staub und die Nachtarbeit in Müllerei und 
Bäckerei fortfalle. Die Kunst der Brotbereitung soll leicht zu erlernen 
sein, damit etwaigen Monopolgelüsten entgegengewirkt werden kann. 
Eventuelle Ortsmonopole müssen durch grosse Haltbarkeit und dadurch er 
möglichte Versandfähigkeit gebrochen werden können. Endlich soll es ein 
rechtes Soldatenbrot sein daheim und im Felde. 
Das wäre wohl das, was man gemeiniglich unter der „Brotfrage“ 
versteht. 
Eine „Brotantwort“ darauf gebe ich auch nach bestem Wissen und
	        
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