Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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Die Wasseranwendimgen kommen bei der Behandlung dieses Leidens 
erst in zweiter Linie in Betracht. Dampfbäder, trockene und feuchte Ein 
packungen, Sitzbäder und Rumpfbäder können in diesem Ealle nichts 
nützen, wirken sogar manchmal verschlimmernd. Mehr Erfolg versprechen 
kühle oder, bei nicht- zu sehr geschwächten Naturen, kalte Halbbäder sowie 
ebensolche Begiessungen der Brust, der Arme oder Beine unter den ge 
wöhnlichen Verhaltungsmassregeln, dass der Körper vor der Anwendung 
warm ist und sofort darauf wieder warm wird. Kalte Abreibungen mit 
blossen Händen sind ebenfalls vorteilhaft. Noch besser ist das allerdings 
nicht aller Orten zu habende Luftbad. Vom Gebrauch der Sonnenbäder ist 
abzuraten; dieselben wirken erregend und sind speziell hier nicht wünschens 
wert. In nicht allzu schweren Fällen ist die Anwendung der Kühlsonde 
vom besten Resultate. 
Bezüglich der Diät sind alkoholische Getränke, besonders dunkles 
Bier, Bohnenkaffee, dann stark gewürzte und dursterregende Speisen thun- 
lichst zu meiden. Süsse Speisen, welche von Kranken dieser Art fast stets 
mit Vorliebe genossen werden, sind bei öfterem Genuss ebenfalls schädlich. 
Der Vegetarismus ist hier sehr am Platze und besondere Vorsicht ist bei 
der Abendmahlzeit zu beobachten. Fleisch- und Fischspeisen sind dabei 
prinzipiell auszuschliessen. 
Das übrige Verhalten soll so eingerichtet werden, dass starke Nerven 
erregungen soviel als möglich vermieden werden. Deshalb sind als schädlich 
zu bezeichnen: Längerer Aufenthalt in heissen Räumen, Beteiligung an 
nächtlichen Tanzvergnügen, Schlafen unter warmen Federbetten, längere 
erregte Unterhaltung, anstrengende geistige Thätigkeit unmittelbar nach dem 
Mittagessen oder spät abends, Teilnahme an Karten-, Schach- und Dame- 
Spiele. 
Damit glaube ich die Grundlagen der Behandlung dargelegt zu haben, 
um damit die Patienten auf den richtigen Weg zu leiten. Das Gebiet der 
Geschlechtskrankheiten ist an manchen Stellen noch sehr dunkel und gerade 
darüber findet man im Publikum noch grosse Irrtümer. 
Wie das Wassertreten bei den Schulärzten anerkannt wird. 
Das Wassertreten eine Kneippsclie Erfindung. 
Bekanntlich empfahl Kneipp das Wassertreten für gewisse centrale Leiden 
des Nervensystems. In der trefflichen Abhandlung von Dr. Max Tacke über 
die Kneippsclie Originalbehandlung der essentiellen Kinderlähmung finden wir, 
dass Kneipp als letzte der drei, in längeren Zeiträumen gegebenen Verord 
nungen auch das Wassertreten verordnete. Es lautet dort Kneipps dritte Vor 
schrift wörtlich: „Jetzt gebraucht der Kranke täglich einen Schenkelguss für 
beide Beine, täglich einen Oberguss, abwechselnd mit Rückenguss, täglich 
einmal ins Wasser gehen, sowie nachts eine Ganzwaschung.“ Wie das „im 
Wasser gehen“ zu handhaben ist, beschreibt Tacke nach Kneipps Vorschrift 
gleichfalls wie folgt: ,,Zum Wassergehen benutzt man eine längliche Bade 
wanne, die 55 cm hoch, mit Wasser von 4—8° angefüllt ist. Man zieht Schuhe 
und Strümpfe aus, krempelt Hose und Unterhose bis über die Kniee um. 
In der gefüllten Badewanne geht man die vorgeschriebene Zeit mit kleinsten 
Schritten auf und ab, oder bewegt bloss die Beine im bekannten „Gehen auf 
der Stelle. 111 
Dr. Tacke hatte seiner Zeit, als er die Heilung der Kinderlähmung nach 
Kneipps Originalvorschrift wissenschaftlich kritisierte, die ärgsten Anfeindungen 
zu erdulden. Verfasser dieses, welcher mehrere Fälle von Kinderlähmung 
nach Kneipps Methode geheilt hatte, war selbst erstaunt über die genial aus 
gedachte Technik der Anwendung von Wärme und Kälte bei dieser Krankheit,
	        
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