Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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was ihm in die Finger kommt, in den Mund. Man nennt ihn deshalb auch- 
in des Wortes wahrster Bedeutung einen Omnivoren, d. i. einen Allesfresser. 
Neben den eigentlichen Nahrungsmitteln, welche den Ersatz für das* 
während des Stoffwechsels verbrauchte Körpermaterial bilden, geniesst der 
Mensch noch sog. Genuss- oder [Reizmittel. Dazu rechnen wir den Kaffee,, 
den Thee, den Tabak, die geistigen Getränke und die Gewürze. Alle diese 
Genussmittel sind Gifte, welche nicht zum Aufbau des Körpers dienen, 
sondern wieder ausgeschieden werden müssen. Sie rufen, wenn sie in den 
Körper gelangen, eine gewisse Gegenwirkung des letzteren hervor. Der 
selbe sucht sie als schädliche Stoffe wieder auszuscheiden und dieses Aus 
scheidungsbestreben geht mit einer mehr oder weniger starken Erregung 
der Nerven und Blutgefässe einher. Diese Aufregung darf man jedoch nicht 
mit Kraft verwechseln. Kraft kann nur gebildet werden aus der Nahrung, 
nicht aber aus Reizmitteln, durch welche im Gegenteil Kraft verloren gellt, 
denn auf die durch ein Reizmittel hervorgerufene Erregung folgt immer ein 
Zustand der Erschlaffung. 
Ein gesunder Mensch kann, vorausgesetzt, dass er durch seine 
Lebensgewohnheiten die Ausscheidungsfähigkeit seines Körpers nicht ge 
schwächt hat, Genussmittel in mässiger Weise ohne sichtbaren Schaden 
gemessen. Ein kranker Mensch jedoch oder ein solcher, bei dem infolge 
einer unpassenden Lebensweise die Ausscheidungsorgane sich in schlechter 
Verfassung befinden, soll alle Genussmittel möglichst meiden. Unmässigkeit 
im Genuss der Reizmittel ist auch für den gesundesten Menschen von 
grösstem Nachteile. Eins der verbreitetsten Genussmittel ist der Kaffee, 
welcher aus der von dem Kaffeebaume („Coffea arabica“) stammenden 
Kaffeebohne hergestellt wird. Es erfreut sich kaum ein anderes Reizmittel, 
vielleicht mit Ausnahme des Tabaks, einer so allgemeinen internationalen 
Beliebtheit, wie der Kaffee, und zwar besonders unter dem weiblichen Ge 
schlecht, für welches er ungefähr dasselbe ist, wie die geistigen Getränke 
für die Männer. 
Mässig genossen ist derselbe, obgleich er ein Gift ist, einem gesunden 
Menschen wohl kaum schädlich, vorausgesetzt, dass die Ausscheidungsthätig- 
keit nicht durch eine träge Lebensweise geschwächt ist. In diesem Falle 
aber oder bei kranken Menschen, die schon mit der Ausscheidung der 
Krankheitsstoffe zu thun haben, oder wenn im Uebermass genossen, wie es 
im allgemeinen geschieht, ist der Kaffee von nachteiligster Wirkung nicht 
nur auf den Einzelnen, sondern auf ganze Generationen. Die Folgen über 
mässigen Kaffeegenusses äussern sich in den verschiedensten Symptomen, 
beispielsweise in hochgradiger Nervosität und in der Hysterie der Frauen, 
die allerdings auch durch andere Ursachen hervorgerufen sein kann, bei 
deren Zustandekommen jedoch der Kaffee unbedingt eine grosse Rolle 
spielt. Auch zahlreiche Fälle von Kopfschmerzen sind einfach die Folge 
des übermässigen Kaffeegenusses. Letzterer bewirkt auch sehr oft Schlaf 
losigkeit oder unruhigen Schlaf, ferner Verdauungsstörungen, Erbrechen,, 
chronischen Magenkatarrh, Herzklopfen, Gedankenschwäche, Muskelzittern 
(besonders der Zunge, der Arme und Beine, ja selbst des Gesichts), Muskel 
krämpfe (besonders der Schenkel- und Wadenmuskeln), Abnahme der Ge 
fühlsempfindung, hochgradige Schwäche und allgemeine Abspannung. Es 
kann sogar zu wirklichem Delirium tremens, ähnlich wie bei der Alkohol 
vergiftung, kommen. 
Besonders schädlich ist der Kaffee bei Kindern, die durch denselben 
in ihrer Entwickelung gehemmt werden können, und ebenso bei Schwangeren, 
die auf den Kaffeegenuss unbedingt verzichten sollten. Durch den Kaffee 
wird bei Kindern übrigens auch leicht die Neigung zu anderen Reizmitteln, 
besonders zu geistigen Getränken, wachgerufen. Die schädlichen Wirkungen 
•des Kaffees sind einem in demselben enthaltenen Gifte, dem sog. Coffein, 
zuzuschreiben, welches in reinem Zustande eine weisse krystallinische Masse
	        
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