Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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hektischen (Eiter-) Schweisse den Krankheitszustand nicht massigen, sondern 
der Ausdruck äusserster Kraftentfaltung der Naturheilkraft sind, wodurch die 
Krankheitsstoffe aus dem Blute herausbefördert werden. Durch das viele 
Schwitzen tritt eine förmliche Bluteindickung ein, der Urin wird spärlich und 
sauer. Um die durch den Schweiss verloren gegangenen Wasserverluste zu 
ersetzen, macht sich ein quälender Durst bemerkbar, der, wenn er nicht in 
stinktiv gestillt wird, zu schwerem Fieber führt. Eine besonders eigentümliche 
Erscheinung des sog. ,,akuten Gelenkrheumatismus“ ist die grosse Schmerz 
haftigkeit der entzündeten Gelenke bei der leisesten Berührung, bei Lage 
veränderung und besonders bei Ermüdung des Gliedes durch langes Liegen in 
einer Stellung. In fast allen Fällen herrscht grosse Schlaflosigkeit vor, die 
besonders während des entzündlichen Stadiums am grössten ist. Dieselbe wird 
noch dadurch gesteigert, dass bei jedem Versuche des Kranken, ein wenig ein 
zuschlafen, die entzündeten Gelenke durch Nachlass der im Schlafe unthätigen 
Muskelspannung gezerrt werden, wodurch der Kranke beim ersten Schlummer 
vor Schmerz erschreckt aufwacht. Auch von seiten der Verdauung treten recht 
beängstigende Symptome auf, indem der Organismus infolge anderweitiger In 
anspruchnahme der Körperkräfte hartnäckig durch Appetitlosigkeit gegen jede 
grössere Nährungszufuhr ankämpft. In milden Fällen verliert sich nach und 
nach das Fieber, der zuvor sehr saure und hochrot trübe Harn wird heller, 
die Zunge reinigt sich und der Appetit nimmt von Tag zu Tag zu. 
Oft aber treten schwere Komplikationen (das sind Verflechtungen oder 
Verwickelungen der Krankheit in inneren Organen) auf, welche durch Ein 
schwemmung des Krankheitsstoffes in edle Organe zu stände kommen. Wie 
wir später sehen werden, ist die Ursache des sogenannten ,,akuten Gelenk 
rheumatismus“ eine Verunreinigung des Blutes durch noch nicht näher bestimmte 
eiterähnliche Fremdstoffe. Wenn nun die Blutverunreinigung eine sehr hoch 
gradige ist, oder wenn das Selbstheilbestreben der Naturlieilkraft (Entzündung 
und Fieber) durch die Darreichung von sogenannten Fieber- und Blieumatismus- 
mitteln (Salicyl, Salipyrin, Antifebrin, Antipyrin, Phenacetin, Chinin) unter 
drückt wurde, wenn die Hautporen durch Wasserscheu und Unreinlichkeit nicht 
offen gehalten werden und wenn die Ausscheidung der Krankheitsstoffe durch 
die Haut nicht unterstützt wurde, oder wenn man gar die Hautporen mit Bilsen 
krautöl, Oel, Linement, Salbe etc. gewaltsam verschmiert, so überschwemmt das 
im Körper zurückgehaltene, noch organisierte Kranklieitsgift alle Organe des 
Körpers und lagert sich in den häutigen Gebilden der Gelenke, des Brustfells 
des Herzbeutels und des Bauchfells ab. Wir haben dann neben den Gelenk 
entzündungen bald Brustfell-, Bauchfell- oder Herzbeutelentzündung vor uns. 
Die grosse Gefahr aber droht dem Kranken, wenn sich das noch unverbrannte, 
entzündungsfähige Kranklieitsgift an den Herzinnenwänden und auf den Herz 
klappen ablagert. Es entstehen dann die so schweren Entzündungen des 
Herzens, welche bei unzweckmässiger Behandlung oder sehr heftiger Entzündung 
fast immer Herzklappenfehler zurücklassen, die dann meist fürs ganze Leben 
bestehen bleiben. Den Laien mahnt das Eintreten von Atemnot, besonders 
beim Liegen auf der linken Seite, die bläuliche Verfärbung der Lippen und 
schliesslich des Gesichts und der kleine schwache Puls an die Möglichkeit einer 
Herzerkrankung. 
Die Ursache des sog. „akuten Gelenkrheumatismus“ ist nach meiner Er 
fahrung fast nie in einer plötzlichen Abkühlung des Körpers zu suchen. Ich 
habe zu wiederholten Malen gesehen, wie diese Krankheit sich im Anschluss 
an eine eitrige Mandelentzündung oder an sonstige Infektionskrankheiten wie 
Scharlach und Masern anschloss. Am häufigsten aber fand ich, dass die unge 
sunden AVohn-, Arbeits- und Schlafräume die Ursachen der Krankheit sind. In 
Vio aller Fälle konnte mit aller Wahrscheinlichkeit die Feuchtigkeit und die 
Stockluft der Wohn-, Arbeits- und Schlafstubenwände, -Dielen, -Tapeten etc. 
als Krankheitsursache beschuldigt werden. Dabei suche ich keineswegs wie 
die Bakteriologen die Krankheitserreger in den feuchten Grundmauern, sondern 
ich glaube Hensel Hecht geben zu müssen, wenn er die Fäulnisvorgänge in
	        
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