Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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Die Allesfresser (Omnivoren), zu denen die Bären gehören, haben 
Backenzähne teils mit, teils ohne Spitzen. — Der Magen ist bei den Fleisch 
fressern einfach und fast kugelrund, bei den Fruchtfressern (den menschen 
ähnlichen Affen) und dem Menschen schon etwas breiter und besitzt im 
Zwölffingerdarm einen Anhang, der eigentlich als zweiter Magen betrachtet 
werden kann, bei den Grasfressern ist der Magen sogar vierfach zusammen 
gesetzt. — Der Darm erreicht bei den Fleischfressern die drei- bis fünf 
fache Länge des Körpers (vom Mund bis zum After gemessen), bei den 
Fruchtfressern und beim Menschen die zehnfache und bei den Grasfressern 
•die 20—28 fache Körperlänge. — Der Magensaft der Fleischfresser enthält 
10 mal mehr Salzsäure als derjenige der Pflanzenfresser und des Menschen 
(beim Hund 0,3 %, beim Menschen 0,02 %). Die Galle der Fleischfresser ist 
goldrot, die der Pflanzenfresser und des Menschen grünlich und enthält 
Glychocollsäure. — Die Placenta (Mutterkuchen) der Fleischfresser ist 
.gürtelförmig, die des Menschen scheibenförmig. 
Eine Menge weiterer Gründe wird gegen die Fleischkost geltend ge 
macht. Ein Haupteinwand ist der, dass wir überhaupt nur selten wirklich 
gesundes Fleisch erhalten, da unsere Sclilachttiere infolge der Stallfütterung fast 
durchweg mehr oder weniger krank sind. Die vielen Schädigungen durch den 
Genuss kranken Fleisches, die bekannt werden, sind ein verschwindend 
kleiner Teil derer, die wirlich Vorkommen. Wir können uns jedoch hieran 
«sowie mit den weiteren Einwänden nicht auf halten und wollen nur noch 
auf zwei Punkte hin weisen. 
Für’s erste ist es doch sehr beachtenswert, dass die Natur selbst für 
•diejenigen Tiere, die sich ganz von Blut und Fleisch nähren müssen (die 
Baubtiere), während der ersten Entwicklung eine andere Nahrung bestimmt 
hat, nämlich die Milch, die sich von Blut und Fleisch durch ihren hohen 
Zuckergehalt auszeichnet. Für’s andere wird bekanntlich jedes Organ nur 
durch mässige Arbeit entwickelt und gekräftigt, durch häufigen Beiz da 
gegen erschlafft und geschwächt. Das Fleisch giebt nun aber den Ver 
dauungsorganen keine genügende Arbeit, ausserdem aber reizt es dieselben 
■durch seinen Gehalt an den (in der Fleischbrühe sich findenden) Extraktiv 
stoffen: Kreatin, Kreatinin, Harnsäure u. dergl. Wir sehen daher auch da, 
wo nur Fleischnahrung zu Gebote steht, eine förmliche Gier nach Fett ein- 
treten, das die Verdauung verlangsamt und die Darm wände schützt. (Man 
vergleiche die Berichte Nansens und anderer Nordpolfahrer). 
Aber auch gegen die Pflanzenkost werden ernste Bedenken erhoben 
und zwar gerade die entgegengesetzten: sie sei zu schwer verdaulich, ver 
weile daher zu lange im Darm, wirke dadurch blähend und belaste den 
Körper mit einer Menge nutzloser Stoffe. (Bei Fleischkost gehen 3—5 %, 
bei Pflanzenkost 20—40% unverdaut wieder ab). Diese Vorwürfe träfen 
besonders zu bei den Cerealien (Körnerfrüchten) wegen ihres Gehaltes an 
Stärkemehl (bei Beis 80—90 %, beim Getreide 50—70 %). Der Magensaft 
übe darauf nicht die geringste Wirkung aus, sondern nur der Mund- und 
Bauchspeichel. Im Munde werde höchstens 2 % des Stärkemehls in Dextrin 
und Traubenzucker umgewandelt, die übrigen 98 % fallen dem Darme zur 
Last, der hierzu 8 Stunden benötige. Diese Ueberanstrengung habe eine 
Erschlaffung zur Folge und diese sei wiederum die Ursache der so häufigen 
Verstopfung. Durch Verwendung groben Mehles (Schrotbrot) könne zwar 
diesem Uebelstande abgeholfen werden, aber dieses Mehl versetze Magen 
und Darm in einen entzündlichen Zusand, der auf die Dauer ebenfalls sehr 
schädlich sei. Bei den Hülsenfrüchten liegt natürlich der Fall ganz ähnlich. 
(In neuerer Zeit hat besonders der englische Arzt Dr. Densmore gegen das 
Stärkemehl als Nahrungsmittel Stimmung gemacht.) Wie bei der Fleischkost 
ein Verlangen nach dem mildernden Fett, so tritt bei der reinen Pflanzen 
kost ein Verlangen nach den Darmerregenden Gewürzen ein. (Ver 
gleiche die scharfen Gewürze der reisessenden Inder und den Salzhunger 
der Neger.)
	        
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