Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

Gewollte Kinderlosigkeit und Chirurgie. 
Von Olga Zschommler-Leipzig. 
Bei meinen Studien über die Methoden der gewollten Kinderlosigkeit und 
ähren Folgen für die Gesundheit des weiblichen Körpers (deren Resultate ich 
in einer kleinen Broschüre im Verlage von Wilhelm Möller niedergelegt habe), 
sind mir in der Litteratur mancherlei Dinge begegnet, welche mehr interessant 
.als nützlich genannt werden müssen. 
In diese letzte Rubrik möchte ich auch die Bemühungen der Chirurgie 
zur Erzeugung künstlicher Unfruchtbarkeit einrechnen. 
Interessant dürfte es immerhin für die Frauenwelt sein, einmal zu er 
fahren, wie mutig die Herren Chirurgen gerade bei Frauenleiden darauf 
losschneiden. 
Ja, warum auch nicht! Glückt die Operation, so ist der Operateur ein 
berühmter Mann; glückt sie nicht, so schützt ihn seine staatliche Approbation 
vor den gesetzlichen Folgen. 
Wer Genaueres über die Folgen der „ärztlichen Messerkrankheit u inner 
halb der Frauenwelt zu erfahren wünscht, dem empfehle ich angelegentlich die 
kleine Broschüre der Frau Dr. med. Fischer-Dückelmann: ,,Die heutigen Be 
handlungsmethoden der Frauenkrankheiten“. Wir aber müssen bei der Be 
arbeitung unseres Themas in die Tiefen „schwer wissenschaftlicher“ Litteratur 
hinabsteigen und den Fuchs in seinem eigenen Bau aufsuchen. 
Des besseren Verständnisses wegen darf ich wohl zunächst daran er- 
innnern, dass sich der innere Geschlechtsapparat der Frau um ein birnen 
förmiges Muskelgebilde, die Gebärmutter, gruppiert. Während dieselbe nach 
der Scheide hin nur eine Oeffnung, den äusseren Muttermund, besitzt, bemerken 
wir an dem hinteren dicken Teile der Birne deren zwei. Dieselben bilden die 
Eingänge zu den rechts und links angehängten Eileitern, zwei Röhren- 
gebiide, welche zu den Eierstöcken führen. Den angedeuteten Weg (durch 
den Muttermund, den Innenraum der Gebärmutter und die Eileiter) hat die 
männliche Samenzelle zu wandern, um dem zu befruchtenden weiblichen Ei zu 
begegnen. 
Kur wenn sich die beiden Zeugungszellen vereinigen, kann von einer 
Befruchtung die Rede sein. 
Deshalb versucht die Chirurgie den Weg zum Zwecke der künstlichen 
Unfruchtbarkeit durch einen operativen Eingriff zu verlegen. Da man den 
Zugang zur Gebärmutter wegen der gefährlichen Folgen durch die Stockung 
der monatlichen Blutungen nicht verschliessen darf, so ist die Chirurgie tiefer 
gedrungen und hat sich die Eileiter zum Operationsfelde auserkoren. 
Die Palme der Priorität gehört nach dieser Richtung dem Professor 
Zweifel, welcher in seinem Lehrbuch der Geburtshilfe (4. Aufl. S. 643) zur 
einmaligen Unterbindung der Eileiter mit dünnem Draht rät. 
Da aber in mehreren Fällen die Naturkraft des Körpers mit Erfolg be 
müht war, das Hindernis des Drahtes zu überwinden, um eine neue Oeffnung 
herzustellen, so dass wenigstens den mikroskopisch kleinen männlichen Zeugilngs- 
zellen der Durchgang zum weiblichen Ei geöffnet war, so gedachte Dr. Kehrer 
(Zentralbl. für Gyn. 1897 No. 31) des alten Volks Wortes „Doppelt hält besser“ 
und unterband die Eileiter an zwei Stellen. Da er aber dem Landfrieden 
immer noch nicht traute, so zerschnitt er ausserdem die genannten Röhren zwischen 
den Unterbindungsstellen. Er überlegte sich hierbei wohl nicht, dass diese 
Manipulation insofern sinnlos genannt werden muss, als das umliegende Gewebe 
immer noch einen geschlossenen Kanal bildet, in welchem ein Weg für das 
männliche Sperma vorhanden ist. 
Dr. Beuttner aber erinnert sich nach seinen Ausführungen im Zentralbl. 
f. Gyn. 1897 No. 40 daran, dass man in der Wissenschaft auch von einer 
Tubenmenstruation (Eierstocksblutung) redet und dass es schädlich werden 
könnte, derselben den Abfluss nach der Gebärmutter zu verlegen. Er unter-
	        
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