Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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gelangt, müssen wir, um diese Ursache zu beseitigen und den Körper 
wieder in seinen natürlichen Zustand zurückzuführen, alle die Veränderungen 
durchmachen, die wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können und 
deren Gesamtbild wir eben mit dem Namen Lungenentzündung bezeichnen. 
Alle diese Veränderungen stellen nicht die Krankheit selbst, sondern den 
Kampf des Körpers gegen die Krankheit, die Krankheitsursache, also den 
von der Natur geleiteten Heilprozess dar. Wenn wir uns dieser Ansicht 
anschliessen, so müssen wir auch zugeben, dass alle die äusseren Krank- 
heitserschewiungen den von der Natur zwecks Heilung der Krankheit vor 
gesehenen Vorgängen entsprechen und deshalb nicht durch chemische Mittel 
unterdrückt oder zerstört werden dürfen. Der römische Arzt Celsus sagt: 
„Die Natur irrt nie. Wenn wir der Natur als Führerin folgen, werden wir 
uns niemals irren.“ Diese Wahrheit wird ärztlicherseits viel zu wenig be 
rücksichtigt, denn sonst würde die zweistündliche Verwendung des Thee- 
löffels schon längst zu den gewesenen Dingen gehören. 
Man kann keinem Gesunden und noch viel weniger einem Kranken 
alle zwei Stunden ein chemisches Mittel einverleiben, ohne dass dadurch 
die Vorgänge im Körper gestört werden und namentlich auch die Herzkraft 
geschwächt wird. 
Noch einen anderen Punkt möchte ich berühren. Es besteht bezüglich 
der Behandlung der Lungenentzündung immer noch ein gewisses Vorurteil 
gegen ein kühlendes Verfahren, ebenso wie beim entzündlichen, fieberhaften 
Rheumatismus. Weil man die Lungenentzündung von einer Erkältung be 
kommen kann, so glaubt man dieselbe auch nicht mit kalten Anwendungen 
behandeln zu dürfen, sondern mit warmen. Das ist aber eine ganz verkehrte 
Ansicht. Wir können uns zwar eine Lungenentzündung durch eine Er 
kältung zuziehen, sobald wir sie aber haben, müssen wir sie genau so be 
handeln, wie jeden anderen fieberhaften, entzündlichen Zustand, d. h. mit 
kühlen Bädern und kühlen Umschlägen. Sodann ist ein energisches Ab 
leitungsverfahren in Anwendung zu bringen. Es ist unverständlich, wie man 
einem an Lungenentzündung Erkrankten, der vielleicht eine Fieberhitze von 
42° zeigt, noch warme Leinsamenumschläge um die Brust machen kann, 
anstatt ihn zu kühlen. Und dann wundert man sich noch darüber, dass 
Kranke an Herzschwäche sterben. 
Wenn der Mensch nicht einen so widerstandsfälligen Körper hätte, 
so würde die Behandlung fieberhafter Krankheiten mit warmen Anwendungen 
weit mehr Opfeir fordern, als sie ohnehin schon thut. Nur bei einer einzigen 
Art von Entzündung würde die Anwendung warmer Umschläge als ein un 
verzeihlicher Kunstfehler gelten, und das ist die Hirnhautentzündung. Bei 
dieser verwendet alle Welt kalte Umschläge; sobald jedoch die Entzündung 
anderswo sitzt, giebt es schon Meinungsverschiedenheiten. 
Warme Breiumschläge verwende man erst dann, wenn der fieberhafte 
Zustand abgelaufen ist, obgleich Priessnitz’sche Dauerverbände dem Zweck 
weit besser entsprechen. 
Nachdem die Heilung eingetreten ist, ist es empfehlenswert, dass sich 
der Kranke einer abhärtenden Wasserbehandlung unterzieht, um dadurch, 
wenn möglich, einer etwaigen späteren Erkfrankung an Lungenschwindsucht 
vorzubeugen. Es ist dies namentlich in jenen Fällen nötig, in denen durch 
Einverleibung grosser Arzneigaben die vollständige Ausscheidung der Lungen 
entzündung verhindert und dadurch vielleicht der Grund für eine später 
sich entwickelnde Lungenschwindsucht gelegt wurde. 
Gefährliche Seelentriebe. 
W. Fricke (Bielefeld). 
Je zuweilen wird die Menschheit bis zum Schaudern durch Ver 
brechen erregt, die, ohne Ziel und Absicht, gleichsam aus reiner Lust
	        
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