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äst stark gerötet und sieht infolge der geschwollenen Geschmacks
wärzchen aus wie mit roten Knötchen besetzt („Himbeei zunge ).
Nach 3—4 Tagen beginnt der Ausschlag abzublassen, das Fieber ver
ringert sich von Tag zu Tag, Kopfschmerzen und Schluckbeschwerden
nehmen allmählich ab, und nach ca. einer Woche beginnt das Stadium
der Abschuppung. Die Hornhaut löst sich in grösseren Stücken ao,
und von den Händen und Füssen, an denen bekanntlich die Horn
haut am stärksten ist, lassen sich manchmal ganze Handschuhe ab-
ziehen. Mit dieser Häutung hat die Krankheit ihren Abschluss ge
funden. —
Der eben geschilderte Verlauf des Scharlachs wird aber etwas
geändert, wenn sich Begleit- und N^chkrankheiten entwickeln. Eine
der wichtigsten ist die Nierenentzündung. Sie tritt meist erst
dann auf, wenn der Scharlach schon geheilt zu sein scheint, entsteht
wahrscheinlich durch den Heiz des Scharlachgiftes, das durch die
Nieren ausgeschieden wird, und ist zu erkennen an. einer wasser
süchtigen Schwellung des Gesichts und der Augenlider sowie an dein
Eiweissgehalt des spärlich entleerten Urins. Deshalb untersucht
jeder gewissenhafte Arzt den Urin des vom Scharlach Genesenden
täglich auf Eiweiss.
Von den vielen Begleitkrankheiten sind zu nennen die diphtlie-
ritische Halsentzündung und die Eiterung des Mittelohrs.
Eine Halsentzündung finden wir ja bei jedem Scharlachfieber; es ist
daher nicht auffällig, dass auf der schon kranken Schleimhaut in
manchen Fällen brandige Zerstörungen Platz greifen (Diphtherie), und
-ebenso natürlich scheint es, dass zuweilen der Enzünclungsprozess
vom Rachen durch die Eustachische Röhre zum Mittelohr fortschreitet
und dort eine Eiterung hervorruft. Unter heftigen stechenden und
klopfenden Schmerzen im Ohre durchbricht schliesslich der Eiter das
Trommelfell und fliesst durch den äusseren Gehörgang ab. Dieses
Ohrenlaufen“ dauert oft monatelang, und häufig entsteht nach
mnem solchen Vorkommnis Schwerhörigkeit auf dem betref
fenden Ohre.
Vorbeugung und Behandlung: Die Erfahrung lehrt, dass
von den sogenannten ansteckenden Krankheiten bei weitem nicht
alle Personen „angesteckt“ werden, die mit ihnen in Berührung
kommen. Das ganze Wärterpersonal und ebenso die Aerzte, die ja
bei einer Epidemie von Kranken zu Kranken gehen, müssten doch
ohne Ausnahme angesteckt werden, wenn die Ansteckungsfähigkeit
nur an das Krankheitsgift geknüpft wäre. Die ganze Menschheit
wäre sicher schon ausgestorben, wenn jeder Krankheitskeim, der in
den menschlichen Körper gelangte, in ihm zur vollen Entwicklung
gelangen würde. — Zwei Umstände sind es, die zum Krankheitsgifte
noch hinzu kommen müssen, um es ansteckungsfähig zu machen:
erstens eine ungesunde Umgebung und Lebensweise (schlechte Boden-,
Luft- und Wohnungsverhältnisse, ungesunde Nahrung und Kleidung),
zweitens eine gewisse Schwäche des Körpers, eine sogenannte Krank
heitsdisposition. Wer in gesunden Verhältnissen lebt, wer einen
kräftigen, widerstandsfähigen Körper hat, an dem prallen die Bacillen
und ihre Gifte machtlos ab, ein solcher Mensch ist dank seiner
„guten Natur“ seuchenfest. Ein anderer mit schwächlichem Körper
ist „anfällig“, wie die Volkssprache lautet und kann dem Eindringen