Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Zur Zeugnisfähigkeit der „Kurpfuscher“. Wegen des kürzlich aus Württem 
berg berichteten Falles, in welchem das Zeugnis eines Kurpfuschers vor 
Gericht von dem Vorsitzenden desselben als giltig angenommen wurde, er 
fahren wir aus dem „Korrespondenzblatt des ärztlichen Vereins im König 
reich Sachsen“, dass der württemb er gische ärztliche Landes-Ausschuss sich 
mit einer Beschwerde an das Justizministerium wenden und gleichzeitig ver 
suchen wird, eine generelle Entscheidung herbeizuführen in Betreff der 
Zeugnisfähigkeit der Kurpfuscher vor Gericht. „Kurpfuscher“ haben oft 
schon zutreffender geurteilt als „approbierte Aerzte“. — 
— Zur Aufhebung der Kurierfreiheit. Der preussische Kultusminister 
Dr. Bosse bekennt endlich offen Farbe. Er schreibt an den Aerztekammer- 
ausschuss u. a.: „Ich habe die einleitenden Schritte getlian, um im Interesse 
des ärztlichen Standes eine Aenderung der Beichsgesetzgebung herbeizuführen. 
Es handelt sich dabei namentlich um die Heraushebung der Aerzte aus der 
Reichsgewerbeordnung und um die Wiedereinführung des Kurfuschereiverbots. 
In unmittelbarem Zusammenhänge hiermit steht die alsdann notwendig werdende 
anderweitige Organisation des ärztlichen Standes durch eine von zahlreichen be 
teiligten Kreisen selbst schon jetzt nachdrücklich geforderte Standesordnung, 
in welcher die von mir geplanten ehrengerichtlichen Institutionen eine hervor 
ragende Stelle einnehmen. Wenn, um nur einen vielfach besprochenen Punkt 
hervorzuheben, die frühere strafrechtliche Vorschrift gegen solche Medizinal 
personen, welche bei dringender Gefahr ihre Hilfe ohne zureichende Ursache 
verweigerten, nicht wieder eingeführt werden soll, so wird eine Instanz ge 
bildet werden müssen, welche darüber zu befinden hat, ob im gegebenen Falle 
die Verweigerung ärztlicher Hilfe zu Recht geschehen ist oder nicht. Ausser 
dem würde die Praxis der Ehrengerichte die notwendige Voraussetzung sein, 
um eine feste und sacligemässe Grundlage für eine ärztliche Standesordnung 
zu gewinnen. Es ergiebt sich hieraus, dass, wenn ehrengerichtliche Institutionen 
nicht ins Leben treten, zu erwägen sein wird, ob es unter solchen Umständen 
überhaupt noch ratsam ist, die bereits eingeleiteten Schritte, welche eine Re 
organisation des ärztlichen Standes zum Zwecke haben, fortzusetzen.“ 
Also derselbe Minister, welcher bei jeder Gelegenheit die „Wichtigkeit 
der freien geistigen Forschung“ hervorhebt und bei fröhlichem Becherklange 
leben lässt, versucht derselben freien Forschung insofern den Garaus zu machen, 
als er sie zum Vorrecht einer Kaste macht, soweit sie die Heilkunde betrifft. — 
Nun, das Volk wird dem Herrn Minister, dessen Tage ohnehin gezählt sein 
sollen, die Antwort nicht schuldig bleiben. 
Im Lande der „Kurierfreiheit“. Eine Bestrafung sämtlicher Vorstands 
mitglieder (und zwar des Vorsitzenden mit 20, der übrigen mit je 5 Mk.) der 
Ortskrankenkasse in Reichenbach erfolgte durch den Stadtrath, weil der Orts 
krankenkassen-Vor stand gegen die Ministerialverordnung, den Ausschluss der 
Naturärzte von der Behandlung an Krankenkassen betreffend, insofern ver- 
stossen hatte, dass er dem Naturheilkundigen S. zu Reichenbach, welcher 
bei Kranken der Kasse die Wasserheilmethode anwandte, die hierfür ein- 
gereichten Rechnungen bezahlte. — Staatsminister von Bötticher hatte s. Z. 
die Erklärung abgegeben, dass in Ermangelung eines approbierten Arztes 
auch ein Laienpraktiker herangezogen werden könne. Es wäre interessant 
zu erfahren, ob Herr Dr. Bosse die obenerwähnte Ministerialverordnung vor 
oder nach der „Lukanisierung“ des Herrn Bötticher erlassen hat. 
Die neue Heilkunst, die von Reinh. Gerling herausgegebene volkstüm 
liche Halbmonatsschrift für naturgemässe Gesundheitspflege, soziale Hygiene, 
Magnetismus, Suggestion, Hypnotismus und Seelenkunde ist am 1. Januar a. c. 
in den Verlag von Wilhelm Möller, Berlin, übergegangen. Die Redaktion 
leitet wie bisher Reinh. Gerling. —
	        
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