Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

59 
orientieren über eine dem Rindvieh eigene Seuche, die sowohl ausgewachsene 
als aucli besonders junge Tiere, Kälber, heimsucht und deshalb auch „Kälber 
seuche“ genannt wird. Sie ist ein eigentümliches mit Fieber verbundenes Leiden 
der Darmschleimhaut, besonders der dicken Gedärme, welche vorzugsweise, wie 
schon erwähnt, junge Tiere befällt und sich hauptsächlich durch blutigen mit 
Zwang verbundenen Durchfall und rasches Sinken der Kräfte zu erkennen 
giebt. _ Die Ursachen sind Erkältungen aller Art, namentlich durch kaltes 
Trinken bei erhitztem Körper, schnelles Trinken von Schnee- und Eiswasser, 
rascher Witterungs- und Temperaturwechsel, Nebel, Nässe, Kälte (welche 
Ursachen meist im Herbst und Frühjahr schuld sind), ferner nach dem Genuss 
von bereiftem, gefrorenem oder durch Pilze und Schimmelbildungen verdorbenem 
Futter, sowie der Genuss von stehendem, fauligen Wasser. — Haben die er 
wähnten Ursachen auf die Tiere längere oder kürzere Zeit eingewirkt, so 
können und werden folgende Erscheinungen zu Tage treten. Unter heftigem 
Drängen und Schmerzensäusserungen wird sehr häufig ein anfangs wässeriger, 
bald aber blutiger, übelriechender, heisser, rauchender Kot abgegeben, wobei 
der Mastdarm oft so hervorgepresst wird, dass seine innere entzündete Fläche 
zum Vorschein kommt; der Rücken wird nach oben gekrümmt, die Füsse unter 
dem Bauche zusammengestellt und der Schweif geradeaus gestreckt; der Bauch 
erscheint aufgetrieben und ist gegen Berührung empfindlich; die Hautwärme ist 
ungleich verteilt, die Haut selbst ist trocken, das Haar struppig, die Augen 
trübe, das Flotzmaul trocken, die Maulhöhle heiss und mit übelriechendem, 
zähem Schleim angefüllt, Fresslust und Wiederkauen sind aufgehoben, dagegen 
vermehrter Durst vorhanden, der Puls ist beschleunigt und klein, das Atmen 
angestrengt und die Tiere zeigen sich sehr matt und hinfällig. — Im weiteren 
Verlaufe gehen mit dem Kot abgestossene Stücke der Schleimhaut ab oder 
schwärzliche aus geronnenem Blut bestehende Klumpen und der Kot ver 
breitet einen abscheulichen, pestartigen Geruch; auf das schmerzhafte, hastige 
Drängen erfolgt zuweilen keine Entleerung. Die Mattigkeit nimmt nun rasch 
überhand, die Tiere werden hinfällig, der ßauch aufgetrieben, die Füsse werden 
kalt, das Auge zieht sich in seine Höhle zurück, der Puls wird schneller und 
kleiner, der Herzschlag pochend, und nach wenigen Tagen erfolgt unter Zucken 
und Stöhnen der Tod. — Vermindern sich aber die Schmerzen und lässt das 
Drängen allmählich nach, werden die Ausleerungen seltener und weicht auch 
das Fieber, so erfolgt bei zweckmässiger Behandlung in 10—12 Tagen Ge 
nesung. Manchmal bildet sich aber auch ein Verschwärungsprozess auf der Darm- 
sehleimheit und die Krankheit geht in Darmvereiterung und Abzehrung über und 
führt erst in längerer Zeit zum Tode. — Aus den angeführten Ursachen geht zu 
nächst nun hervor, wie man sich zu benehmen hat, um sein Vieh vor solchen 
verderbenden Seuchen zu schützen: Man meide ängstlich die krankmachenden 
Faktoren, und so die Seuche Platz gegriffen, w r ende man alle nur erdenklichen, 
Gesundheit erzeugende und fördernde Faktoren an. Das befallene Tier reibe 
man zunächst tüchtig mit Strohwischen, um das Blut im Körper gleichmässig 
zu verteilen, also um Wärme an allen Teilen zu erzeugen und die angehäufte 
zu zerteilen. Alsdann lege man dem Patienten eine mit guten wollenen, sicher 
schliessenden Decken versehenen Ganzpack an und suche das Tier möglichst 
schnell durch An- und Auflegen von erwärmten Dachziegeln oder heissen 
Kruken in Schweiss zu bringen. Gelingt das, so geht der erste Hoffnungstern 
auf. Besonders beachte man die etwa kalt werdenden Beine, um selbige durch 
Warmpackungen wieder zu durchbluten. Meint es die Sonne recht gut, so 
lasse man dieselbe helfen, das eingepackte Tier in Schweiss bringen! Nun 
beachte man aber auch das Lager des erkrankten Tieres, — dasselbe sei gut 
trocken und schaffe man deshalb jedesmal abgegangenen Koth beiseite. 
Durch Einspülungen lauen Wassers halte man den Darm möglichst rein 
und stärke denselben durch ganz kleine kühle Einläufe. Als Ersatz für den 
in reichlichen Massen abgegangenen Darmschleim und um die verschleimten 
Darmwände nicht zu Entzündungen geneigt zu machen, gebe man schleimige 
Einschütte, z. B. von Leinsamenabkochungen. — Sehr wichtig ist ferner das
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.