Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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— Ueber das Universitätsstudium der Frauen äussert sich der bekannte 
Dramatiker Ernst von Wildenbruch wie folgt: „Bei der Behandlung* der soge 
nannten Frauentage begebt man beute durchgängig einen Fehler, durch den 
man sich, meines Erachtens, die Schwierigkeit der Beantwortung selber ge 
schaffen hat. Man behandelt nämlich ,die Frau 1 als einen individuell unter 
scheidungslosen Gesamtbegriff und führt dadurch bei der Beurteilung beider 
Geschlechter einen Unterschied herbei, den es gar nicht giebt und in dem ich 
das für das weibliche Geschlecht Kränkende erkenne. Jedermann weiss, 
dass keineswegs alle Männer, also ,der Mann 4 , zum geistigen Berufe, zum 
akademischen Studium befähigt und somit berechtigt sind, — jedermann weiss, 
dass nur eine bestimmte Anzahl männlicher Individuen sich dazu eignen, 
während die anderen eben die erforderlichen Fähigkeiten nicht besitzen. Spricht 
man deshalb ,dem Mann 4 im allgemeinen Fähigkeit und Hecht zum geistigen 
Berufe ab? Nicht, dass ich wüsste. Warum also wenden wir diese höcht ein 
fache Beobachtungsmethode nicht auch auf die andere Hälfte der Menschheit 
an? Warum spricht man immer von ,der Frau*, statt von den Frauen? 
Man spricht wohl von ,dem Esel 4 , ,dem Hund 4 , ,der Katze*, — aber haben die 
Frauen nicht das Hecht, dass man sie als menschliche Einzelwesen behandelt? 
Im Augenblicke, wo man Sich dazu entschlösse, wäre die Frage aus der öden 
Systematik, in der sie jetzt wie ein Pferd mit verbundenen Augen herum 
schleicht, erlöst und zu einer praktischen gemacht, und somit wäre sie meines 
Erachtens gelöst. Man prüfe das geistige Bedürfnis und die geistige Fällig 
keit des weiblichen Individuums, sowie man es beim männlicheu thut — und 
dann entscheide man individuell und in jedem einzelnen Fall. Woher man das 
Hecht ableiten wollte, einer zum Studium befähigten Frau dies Stitdium un 
möglich zu machen, ist mir unerfindlich, doppelt unerfindlich in einer Zeit, in 
der man zum Bewusstsein gekommen ist, dass grosse Fragen, wenn man sie 
zur Lösung bringen will, von der Höhe des Geistes aus angesehen, aber mit 
praktischen Händen angefasst werden müssen.* 4 
Kinderpflege und Schulhygiene. 
Wider die heutige Schulkerkerei. - 
Von Peter Johannes Thiel. 
Motto: Licht! Luft! Wasser! Wald! 
Ein frisches, fröhliches Leben ist allerorten erblüht, wohin das 
Evangelium der Naturheilmethode gedrungen ist. Denn alle Anhänger 
dieser neuen, frohen Botschaft haben sich voll Lebensfreude den 
wieder erschlossenen Naturverjüngungsquellen Licht, Luft, Wasser, 
Wald zugewandt und erhoffen eine Wiedergeburt ihres eigenen 
Daseins, ihrer Familie, ihres Volkes, ja der ganzen Menschheit in der 
vollen Auskostung dieser Paradiesborne. Aber was hilft alle diese 
Erkenntnis und all dies frisch-fröhliche Wollen? Ist es doch ver 
gebens oder doch sehr in Frage gestellt durch eine Kultureinrichtung, 
welche nur zum Wohle der Menschheit, der Jugend, da sein 
sollte und welche trotzdem in ihrer heutigen Ausgestaltung das 
gerade Gegenteil von dem ist. Oder wer wollte leugnen, dass unsere 
heutigen. Schulkasernen die Brutstätten der Krankheiten aller Art, 
die heutigen Erziehüngs-, richtiger Drillweisen die Ursachen des leib 
lichen Niedergangs, die ganize heutige Behandlung der Jugend der 
Grund der Volksentartung ist? Wo ist ein ungesunderer Nährboden, 
eine krankheitskeimreichere Luft als in dem Schulkerker mit seiner 
verpesteten Schulluft, die zum hunderteinten male ihren Verbrauchs
	        
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