Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

Sumpfes, zu dem -sich die Mücken ziehen, auf dem richtigen Wege 
sind. 
Sehr mit Recht hat Leyden neuerdings in einem Interview, das 
die Redaktion der Heilstätten-Korrespondenz bei ihm veranstaltete, 
nachdem die Berliner Stadtverordnetenversammlung im November 1895 
unbegreiflicherweise den Neubau einer Heilstätte für Lungenkranke 
abgelehnt, folgenden Ausspruch gethan: „Wir können täglich sehen, 
dass der eine, wenn er von der Tuberkulose ergriffen wird, ihr 
unterliegt., dass aber der andere, der einen kräftigeren Körper hat, 
und unter besseren Verhältnissen lebt, der Krankheit widersteht. 
Wenn es uns gelingt, die geringen Kräfte in dem Körper des ersteren 
so zu unterstützen, dass er das Mass der Kräfte des zweiten erreicht, 
so haben wir ihm damit die Fähigkeit gegeben, die Krankheit zu 
überwinden, das heisst, wir haben ihn geheilt. Und diese Heilung 
hat durchaus denselben Wert, wie die Heilung durch ein Spezificum, 
ja einen grösseren deshalb, weil der betreffende Organismus in sich 
die Kraft zum Ueberstehen der Krankheit gewonnen hat. Er ist 
also in hohem Grade vor Rückfällen geschützt, was bei dem ersteren 
nicht der Fall ist.“ 
Nicht nur bei der Verhütung, auch bei der Heilung der Tuber 
kulose ist somit auf die Verteidigung, auf die Erhöhung der so viel 
geschmähten Heil k r a f t der grösste Nachdruck zu legen. Hierüber 
treffen die hygienischen Verbote, des Unterlassen und Entsagen, oft 
bei weitem die hygienischen Gebote an Bedeutung. Wie wichtig ist 
beispielsweise die Entfernung aus den Berufsschädlichkeiten, die 
Meldung des metallischen und mineralischen Staubes. Giebt es doch 
Staubberufe — wir nennen nur die Feilenhauer, Porzellanarbeiter und 
Steinmetzen, in denen 80 pCt. aller Sterbefälle auf die Schwindsucht 
entfallen. Da ist noch eine klaffende Lücke in der sozialen Gesetz 
gebung, welche den Arbeiter oft schon nach einem Vierteljahre an 
die Arbeit und damit dem Tode in die Arme treibt. Ebenso müssen 
aufs strengte gemieden werden ein Zusammendrücken des Brustkorbes 
durch unzweckmässige Kleidung*) oder fehlerhafte Körperhaltung, 
nicht minder eine mangelnde Filtration und Erwärmung der Luft 
infolge ungenügender Nasenatmung. Alles das ist in der Ambulanz 
ebenso durchführbar wie im Sanatorium. 
Ein sehr grosser Vorzug der Anstalten ist ihre Lage. Allerdings 
ist man in den letzten Jahren mehr und mehr von der früheren Ueber- 
schätzung bestimmter Klimate — das südliche, das See- und Höhen 
klima waren besonders gerühmt — zurückgekommen. Die Erforder 
nisse sind ein von Nord- und Ostwinden geschütztes Gebiet mit 
genügendem Sonnenschein und einer von Staub und Bakterien 
möglichst freien Luft. Diese Bedingungen finden wir in der Um 
gebung fast aller grossen Städte namentlich an Wäldern vollauf Er 
füllt. In den Anstalten verbindet man die Luftkur mit der Liegekur. 
Die Kranken liegen den grössten Teil des Tages im Sommer im 
Park auf bequemen Liegestühlen, im Winter in Liegehallen und 
auf Baikonen. Auch das ist ambulant einigermassen zu ersetzen. 
*) Anmerkung. Wie wir soeben aus Paris erfahren, ist die neueste Mode ent 
schieden korsettfeindlich. Die tonangebenden Damen haben es bereits beseitigt. 
Hohentlich haben die Schneider mehr Glück, wie die Aerzte.
	        
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