Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

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wenn sie erst auf akademisch gebildete Führer hätte warten müssen? Ist 
sie nicht auch unter Leitung „unwissenschaftlicher“ Leute gross geworden? 
Und giebt es heute unter den sozialistischen Agitatoren und Redakteuren 
nicht noch genug Leute, .die über eine sehr einseitige, mangelhafte Bildung 
verfügen? Warum treten Sie nicht gegen diese „Pfuscher“ auf? Und wird 
nicht in sozialdemokratischen Versammlungen genug gesagt, was mit der 
Wissenschaft nicht übereinstimmt. Warum verlangen Sie nicht von den 
Parteigenossen, mit diesem „Unfug aufzuräumen“? Geben die Redakteure 
nicht fortlaufend den Lesern ihrer Zeitungen Belehrungen über juristische 
Fragen, ohne Juristen von Fach zu sein? Werden sie hier nicht auch zu 
„Pfuschern“? Ja, über Kirche, Schule, Staat u. s. f. kann jeder Sozial 
demokrat urteilen und wäre er noch so dumm, aber ja nicht über Heil 
kunde— das ist „Unfug“! An allen Autoritäten darf man zweifeln, an 
politischen, staatswissenschaftlichen, juristischen, nur nicht an den medi 
zinischen. 
Als Beweis gegen die Ausübung der Heilkunde durch nicht „wissen 
schaftlich“ gebildete Personen gebraucht Dr. Ad. den von Zünftigen schon 
sehr abgenutzten Vergleich zwischen einer Maschine und dem menschlichen 
Körper. Zunächst hinkt dieser Vergleich gewaltig. Der menschliche Körper 
ist kein Mechanismus, sondern ein Organismus, der sich, wie Schopenhauer 
sagt, selbst repariert. Eine Maschine, die eine Störung erlitten hat, wird 
nie von selbst wieder ordentlich in Gang kommen. Aber ein Organismus 
wird in vielen Fällen die Störungen selbst ausgleichen, wenn er unter natur- 
gemasse Lebensbedingungen gesetzt wird. Die von dem Kritiker angeführten 
Beispiele zeigen, dass sein massloser Zorn gegen die „Kurpfuscher“ seinen 
Blick für die thatsächlichen Verhältnisse vollständig getrübt hat. Er weiss 
nicht, dass es zwischen einem Mechaniker und Handlanger einen prinzipiellen 
Unterschied nicht giebt, dass Tausende von Handwerkern elektrische An 
lagen machen, ohne von den Grundlehren der Elektrizität etwas zu ver 
stehen und dass Tausende fremde Sprachen sprechen, ohne eine Ahnung 
von Grammatik zu haben. Er weiss nicht, dass es genug Arbeiter giebt, die 
ohne wissenschaftliche Vorbildung sehr gut lernen, eine Maschine bis zu 
einem gewissen Grade zu regulieren. Wie oft habe ich schon von Arbeitern 
gehört, dass die von der Schule kommenden Ingenieure erst von den Arbeitern 
lernen müssen. Und warum sollen nicht manche Personen auch ohne Uni 
versitätsbildung die Körpermaschine bis zu einem gewissen Grade zu regu 
lieren lernen? Ganz besonders gilt dies unter Anwendung der einfachen, 
milden Anwendungsformen der Naturheilmethode. Der Beweis wird ja 
täglich am Krankenbett erbracht. Ich kenne einfache, intelligente Frauen 
aus dem Volke, die mit wahrer. Meisterschaft und mit grossem Erfolg die 
Naturheilmethode ausüben. Und hat es nicht in früheren Zeiten grosse 
Aerzte, z. B. einen Hippokrates, gegeben, die von moderner Anatomie, Phy 
siologie und Pathologie weniger verstanden, als heute ein vierzehnjähriges 
Schulkind? Haben nicht gerade die grössten Praktiker unter den Aerzten 
am wenigsten von Anatomie und Physiologie gehalten? Was sagt doch der 
grosse Stahl: „Der Bau der mäandrischen Gänge im Ohr, des Ambosses, 
Hammers, Steigbügels und — welch herrliche Entdeckung! — des runden 
Knöchelchens, würde, wenn er nicht bekannt wäre, die physische Kenntnis 
des Körpers sehr mangelhaft machen. Aber der Medizin nützt diese 
Kenntnis gerade so viel, wie die Kunde von dem vor zehn Jahren gefallenen 
Schnee.“ 
Wenn aber ein Heilsystem der Vorwurf trifft, in eine Maschine ein 
zugreifen, ohne sie richtig zu kennen, dann trifft er gerade die Vertreter der 
herrschenden Heilmethode, der Allopathie. Gerade in denjenigen Teil des 
menschlichen Körpers, welcher noch am wenigsten erforscht ist, in den 
Chemismus des Blutes und der Säfte, greift sie mit den stärksten Giften, 
den rohesten Mitteln ein. Daher auch die Unbeständigkeit in der medizinischen 
Therapie. Was heisst dort Wissenschaft? Auf keinem Gebiete wechseln