Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

Der 
Naturarzt 
Zeitschrift 
des 
Deutschen Bundes der Vereine für Gesundheitspflege 
und arzneilose Heilweise. 
No. 12. Berlin, Dezember 1898. 26. Jahrg. 
Um genaue Beachtung der auf dem Titelblatt angegebenen Adressen wird dringend gebeten. 
Aus Wissenschaft und Leben. 
Der schwarze Tod. 
Als im Jahre 1713 die letzte Pestleiche in Wien der Erde übergeben 
wurde, da konnte wohl niemand ahnen, dass der unheimliche schwarze Tod 
zum vielleicht letzten Male die schöne Kaiserstadt heimgesucht haben würde, 
wenn er nicht 185 Jahre später in der Pandorabüchse der wissenschaftlichen 
Medizin fürsorglich wieder aus seinem indischen Schlupfwinkel fast gewalt 
sam hergebracht worden wäre. — Im Februar 1897 wies Schreiber dieser 
Zeilen in dem Artikel „Pestgefahr“ darauf hin, dass uns keineswegs von 
Indien, sondern vielmehr von den medizinischen Aerzten Gefahr drohe, die 
das geängstigte Volk mit einem neuen Serum gegen die Pest beglücken 
wollten. Inzwischen wurde zur furchtbaren Wahrheit, was kein Mensch für 
möglich gehalten hätte: die wissenschaftliche Medizin hat — nach Art un 
reifer Kinder — mit dem Feuer gespielt, den Nachbarn das Haus über 
den Köpfen angezündet und nicht vermocht, die zerstörenden Flammen zu 
löschen. Denn nicht das trügerische Modemittel, „Pestserum“ genannt, hat 
der Krankheit Einhalt gethan, sondern die strengen Absperrungsmassregeln 
haben die weitere Ausbreitung der Pest verhindert. Die „Medizin“ unterlag, 
die „Hygiene“ siegte. — 
Uns können jetzt nur die Fragen beschäftigen: „Sind solche Experi 
mente lediglich in Wien gemacht worden“ — „und sind solche Experimente 
unerlässlich?“ 
Zunächst fragen wir: „War man sich der Gefahren bewusst, die mit 
jenen Experimenten verbunden sind?“ Die Frage ist zu bejahen. Man 
kannte die Gefahren, denn man betonte ja fortwährend, dass die Versuche 
stets „unter Anwendung grosser Vorsicht“ und „unter strengster 
Kontrolle“ übrigens „nur von vertrauenswürdigen Leuten“, die 
„mit allen Vorschriften vertraut“ waren, gemacht worden seien. 
Ganz Europa und besonders Deutschland wies mit Fingern auf Wien 
und gebärdete sich, als könne dergleichen anderwärts nicht Vorkommen. 
Ja, das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin gab zur Beruhigung des 
Volkes im „Reichsanzeiger“ eine Erklärung ab, wonach „Versuche mit 
Pestbazillen von lebenden Tieren seit langer Zeit in Berlin nicht 
ausgeführt wurden“. Warum verschweigt die hohe Behörde, dass dafür in 
Berlin diese gefährlichen Experimente „an lebenden Menschen ge 
macht worden sind?“ 
Es ist ja, obwohl überraschend, doch immerhin möglich, dass die von 
Dr. Kolle in No. 10 der „Deutschen Mediz. Wochenschrift“ Jahrg. 1897 mit-
	        
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