Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Wie man — hüben und drüben — Gesichtsrose heilt. 
Am 17. Septbr. 1898 liess mich der 45 jährige Vorarbeiter S. zu sich bitten; 
er litt an Gesichtsrose. Als Mitglied einer Krankenkasse, an der ich als Arzt 
nicht thätig bin, hatte er zuvor einen anderen Arzt gehabt, konnte aber mit 
dessen Massnahmen so wenig sympathisieren und sich einverstanden erklären,, 
dass er sich entschloss, lieber den Arzt seines Vertrauens selbst zu honorieren. 
Und letzteres besass ich deshalb in hohem Grade, weil ich vor etwa 1 / 2 Jahre 
seinem 18 jährigen Sohne durch unser Verfahren (strenge vegetarische Diät 
und milde Wasseranwendungen) seinen rechten Arm gerettet hatte, der nach 
dein Ausspruche des betr. Spezialisten für Chirurgie hätte amputiert werden 
sollen. Solche Gerettete spazieren übrigens, nebenbei gesagt, schon in hübscher 
Anzahl hier herum. — Also Herr S. lag im Bett mit Gesichtsrose und er 
zählte mir, sein bisheriger Arzt hätte ihm angeraten, das Gesicht mit Theer ein- 
zupinseln, er hätte aber, abgesehen davon, dass er an dieses Zeug nicht glaube, 
hiervon Kopfweh bekommen und infolgedessen dem Arzte offen gesagt, er wende 
dieses Mittel nicht mehr an. Darauf ist dem Kranken eine greulich stinkende 
Jodoformsalbe verschrieben worden, womit die Nase hätte ausgeschmiert werden 
sollen; „Denn“, sagt der Arzt, „die Bazillen müssen getötet werden“. So 
was nennt sich heutzutage wissenschaftliche Therapie und erlaubt sich, die 
„Wasserdoktoren“ zu boykottieren! Ein Schönlein in Würzburg, Prof, der 
Medizin, wenn er dieses gehört, hätte sich noch im Grabe umgedreht und 
feine Bitte auf dem Sterbebette: „schleppt mir nur keinen Doktor ins- 
Haus“, wahrscheinlich in noch saftigerer Weise wiederholt. 
Der Kranke gab also mit Hecht höchst entrüstet dieser Schmiererei den 
Laufpass, und ging bei Obst- und Milchdiät, mit Ganzwaschungen und lau 
warmen Wasserumschlägen auf die entzündeten Stellen der Prozess in kurzer 
Zeit in Heilung über, 
München. List, prakt. Arzt. 
Gewerbehygiene. 
: v ' ’ V' 1 4 . . - 
Rationelle Behandlung des Schreibkrampfes. *) 
Von Johs. Berckenhagen, Ingenieur und Schreibtechniker, Berlin 0. 
„Schreiben kann ein jeder,“ sagte ein berühmter Nervenarzt zu einem} 
an Schreibkrampf Leidenden, der bei ihm Hilfe suchte. „Das bischen. 
Krampf, was Sie da haben, bringen wir schon fort durch Elektricität und 
Massage.“ — Es ist dem Herrn Professor leider nicht gelungen und der 
Patient wurde später von mir geheilt. So einfach das Schreiben nach An 
sicht der meisten Menschen ist, so schwierig war es, das innerste Wesen 
der naturgemassen Schreibtechnik zu ergründen. Nicht weniger als zwölf 
Jahre fast ununterbrochener Denkarbeit brauchte ich zur Lösung dieser 
Präge, in dem Streben, die Menschheit vom Schreibkrampf nicht nur zu 
heilen, sondern dieses mehr und mehr zunehmende Uebel zu verhüten. 
Die Ursache des Schreib kramp fes liegt sehr tief, wir sind, während 
wir auf allen Gebieten menschlichen Könnens und Wissens ununterbrochenen 
Fortschritt zu verzeichnen haben, auf diesem einzigen Gebiete vollständig 
zurückgeblieben, und warum? Weil der Begriff „schreiben“ kein wirklich 
instinktiver Begriff ist, welcher die Muskeln unmittelbar zu naturrichtiger 
Arbeitsweise zwingt. Der Schöpfer hat uns konstruiert in der Absicht, dass 
wenn wir arbeiten, sich unsere Glieder selbstthätig zum Arbeiten bewegen 
sollen, und nicht wir die Glieder, und das thun die Glieder einzig und allein 
*) Wir geben dem bekannten Schreibtechnker das Wort, weil und nachdem wir 
uns von der Brauchbarkeit seiner Methode und deren Erfolgen überzeugt haben und 
weil in der That das Uebel des Schreibkrampfes eine Volksplage zu werden beginnt». 
Auch hier ist „Verhüten“ leichter als „Heilen“. Die Schriftleitung.
	        
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