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die demselben heut noch gezogen sind, weggeräumt werden. Und
zwar müssen wir das wünschen als Anhänger einer durchgreifenden
Sozialhygiene.
Es hiesse Wasser in die Spree tragen, wollte man den
Nachweis führen, dass eine starke Organisation der Arbeiter die beste
Vorbedingung ist erstlich für die Anbahnung einer wirkungsvollen
Sozialhygiene, und sodann auch für die Durchführung derselben.
Wer die Berichte unserer Gewerbe-Aufsichtsbeamten aufmerksam
durchliest, wird auch da diese Auffassung sich mehr und mehr Bahn
brechen sehen.
Ebenso steht aber auch fest, dass weitverbreitete, tiefgehende
sanitäre Missstände oftmals erst durch Streiks aufgedeckt worden
sind. Wir erinnern zum Beweise dafür an den grossen Konfektions-
Arbeiterstreik in Berlin. Welche Unsumme sanitären
Elends ist nicht allein durch diesen einen Streik auf
gedeckt worden! Ebenso ist es eine in weiten Kreisen bekannte
Thatsache, dass in vielen Bauarbeiterstreiks die Forderung von Schutz
vorrichtungen für Leben und Gesundheit der Arbeiter eine hervor
ragende Rolle spielt, ebenso die hochwichtige Baubudenfrage, auf
deren grosse sozialhygienische Bedeutung schon im Septemberheft
1896 an dieser Stelle hingewiesen ist und die Verglasung der Fenster
auf Neubauten, die die Töpfer wenigstens für den Winter unbedingt
fordern und dieserhalb schon wiederholt in Streiks eingetreten sind.
Die Arbeiter in Buchdruckereien hätten noch lange nicht die
minimalen Schutzbestimmungen in Bezug auf die Einrichtung der
Druckräume, wenn dieselben nicht fort und fort durch ihre gute
Organisation solche Schutzbestimmungen gefordert hätten. Man weiss,
dass auf vielen Bergwerken die für die in denselben beschäftigten
Arbeiter so notwendigen Wasch- und Badevorrichtungen in äusserst
mangelhaftem Zustande sind, dass die Arbeiter bisher vergeblich die
Verbesserung derselben gefordert haben, eine solche aber auch nicht
erzwingen konnten, weil gerade in diesen Betrieben das Aufkommen
einer starken Arbeiterorganisation bisher mit allen Mitteln unterdrückt
wurde. Wie oft wird nicht in Arbeiterversammlungen der ver
schiedensten Branchen auf die verschiedensten sanitären Missstände in
den Betriebswerkstätten hingewiesen — und wie wenig geschieht noch
immer zur Beseitigung derselben. Wenn da nicht die Organisation
der Arbeiter stark genug ist, um die Beseitigung der Missstände er
zwingen zu können, dann sind die Arbeiter eben unwiderruflich dazu
verdammt, neben ihrer Arbeitskraft auch noch ihre Gesundheit opfern
zu müssen.
Und wenn wir schliesslich die Hauptaufgabe der gewerkschaft
lichen Arbeiterorganisation in Betracht ziehen: die Verbesserung der
Lohn- und ArbeitsVerhältnisse — sind nicht jede Fünfpfennige Lohn,
mehr, jede Stunde Verkürzung der Arbeitszeit gleichbedeutend mit einer
Hebung der sozialen Position der Arbeiter, und ist eine solche nicht
wiederum in gesundheitlicher Beziehung von der grössten Bedeutung?
Es hiesse, die soziale Bedeutung der Naturheilbewegung verleugnen,
wollte man das bestreiten!
Aber schon um ihrer selbst Willen muss die Naturheilbewegung
sich gegen jede Beschränkung der Koalitionsfreiheit in dem eingangs
angedeuteten Sinne erklären, da sie sich, falls die „Anreizung zum