Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Trinker so gut wie keinen Eindruck machen. Kaum wurden die Leute in 
Freiheit gesetzt, so war ihr erster Gang in die Kneipe, wo sie sich dem längere 
oder kürzere Zeit entbehrten Genuss einiger stärkender Schnäpslein wieder mit 
unverminderter Leidenschaft hingaben. Dies ist nun aber ganz anders ge 
worden, seitdem man die Aergernis erregenden Zechbrüder nicht mehr bei 
Wasser und Brot einsperrt, sondern ganz einfach mit einem breiten, gold 
glänzenden Messinghalsbande schmückt. Das Halsband muss so lange getragen 
werden, wie es die hochlöbliche Gerichtsbarkeit für gut befindet. Einem so 
gekennzeichneten Manne darf bei grosser Strafe kein Tropfen Alkohol verab 
folgt werden. Der Betreffende hat ausserdem für Spott und Hänseleien nicht 
zu sorgen, und gewöhnlich ist er nach einigen Tagen schon so mürbe, dass er 
jedes Versprechen geben und auch halten würde, wenn er sich dadurch nur 
von dem lästigen Halsschmuck befreien könnte. Zuletzt lässt er sich über 
haupt nicht mehr blicken, und wenn endlich der Zeitpunkt gekommen ist, wo 
ihm der unbequeme Messingkragen abgenommen wird, dann ist er in den meisten 
Fällen der solideste Mensch geworden. Die Furcht vor der gelben Halsbinde 
ist so gross, dass der einmal damit Bestrafte höchst selten wieder einen Tropfen 
über den Durst trinkt. 
—#1 Impf-Frage. §#— 
— „Der ruhige Bürger greift zur Wehr Wie aus Breslau be 
richtet wird, hat dort der approbierte Arzt Dr. med. Haeusler sich der 
zwangsweisen Impfung seiner Kinder in energischer Weise widersetzt und 
soll sich nun wegen „Verhinderung einer Amtshandlung“ sowie Bedrohung 
eines Beamten vor dem Strafrichter verantworten. Es ist geradezu fürchterlich! 
Ein ruhiger Staatsbürger, ein Mann, der ebenso gut wie jeder andere Arzt 
weiss, dass die Einimpfung der Binderjauche eine Blutvergiftung darstellt, 
deren Folgen gar nicht zu übersehen sind, wiedersetzt sich einer so 
ekelhaften Operation an seinen Kindern und — macht sich dadurch strafbar. 
— In Bautzen ist ein vom Physikus und königlichen Medizinalrat 
Dr. Wen gl er geimpftes Kind zwei Stunden nach der Impfung an Blut 
vergiftung gestorben. Diese Stütze des Impfzwanges bedrohte die un 
glückliche Mutter mit harter Bestrafung, sofern sie über die Todesursache 
des Kindes etwas verlautbaren lasse. 
— Das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin sucht der impfgegnerischen 
Agitation durch zahlreiche Abwehrartikel zu begegnen. Es ist dies ein 
Beweis dafür, dass den Impfverteidigern doch etwas bänglich zu Mute wird. 
Nun hat aber das Kaiserliche Gesundheitsamt obenein noch recht grosses 
, Pech mit seinen Berichtigungen. Während nämlich die im „Impfgegner“ 
sowohl wie auch im „Naturarzt“ (No. 7, S. 220) gemeldeten Pockenepidemien 
„auf Einschleppung aus Oesterreich und Bussland“ zurückgeführt wurden, 
erfolgte die Bekanntgabe der amtlichen Ergebnisse der öffentlichen Impfung 
in Oesterreich, aus der hervorgeht, dass, wenn man die im ersten Lebens 
monat gestorbenen Kinder abrechnet, im Jahre 1894 von 100 Neugeborenen 
90,0 und im Jahre 1,895 sogar 90,4 geimpft worden sind und zwar 88 bezw. 
91 von 100 mit Erfolg. (In Deutschland beträgt die Zahl der Erstimpflinge 
etwa 96 % aller lebend Geborenen.) Aber der amtliche Bericht aus Oesterreich 
besagt auch, dass 1891 die Impfung der Kinder in den Schulen eingeführt 
* sei. — Wenn also nach den Mitteilungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes 
die Oesterreicher an der-Einschleppung der Blattern beteiligt sind, so handelt 
es sich eben uni geimpfte Oesterreicher; und wenn in dem Nachbarlande 
die Pocken so erhebliche Opfer fordern, so ist das eben ein Beweis dafür, 
dass die Impfung in Oesterreich nicht vor den Pocken schützt. Gerade 
dieser Umstand zeigt, wie richtig die Anschauung ist, dass lediglich die 
günstigen hygienischen Verhältnisse die Seuche von Deutschland fernhalten, 
nicht aber die mittelalterliche Pockenimpfung.
	        
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