Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

23 
Aber es ist noch gar nicht nachgewiesen, dass die Ent 
wickelung des Tuberkelbazillus an die Zelle gebunden ist. 
Es ist dies nur eine Hypothese, und auf ihr baut sich die 
ganze Serumtherapie auf. Man beruft sich auf das Diphtherie-Heilserum 
und meint, wenn es gelungen ist, gegen die Diphtherie ein wirksames Serum 
herzustellen, so werde dies auch bei der Tuberkulose gelingen. Aber es ist 
nicht ausgemacht, dass ein „Heilserum“ auch ein „Schutzserum“ ist. Un 
zweifelhaft tritt zur Zeit die Diphtherie bei uns in leichteren Formen auf 
als früher, und zum Glück für den Huf des Diphtherie-Heilserums ist diese 
Periode gerade mit der ausgedehnteren Anwendung desselben zum Zwecke 
des Schutzes zusammengefallen. Aber sicher bewiesen ist es nicht, dass die 
Milderung der Krankheit eine Folge der Heilserum-Einspritzungen ist. . . 
Bedauerlich bleibt nur, dass Virchow trotz dieser gewiss zutreffenden An 
sicht noch immer ein Verteidiger des Impfzwanges ist. 
— Schleier, bunte sowohl wie dunkle und weisse, besonders punktierte, 
sind schädlich; sie beeinträchtigen die Sehschärfe und erzeugen bei längerem 
Gebrauch Kopf- und Augenschmerzen. 
— Welche Nahrungsmittel billig, welche theuer sind, ist leider in weiten 
Kreisen noch unbekannt. Mancher trinkt einen Schnaps, weil der ihm billig 
•erscheint gegenüber einer Mahlzeit, und doch wäre Schnaps das teuerste 
Nahrungsmittel, wenn er überhaupt Nährwert hätte. Der Verein gegen den 
Missbrauch geistiger Getränke hat jetzt zwei Farbendruck-Tafeln über „Ver 
nünftige Ernährung“ herausgegeben, die für 20 Pfg. von seiner Geschäfts 
stelle in Hildesheim zu beziehen sind. Daraus liest man z. B. ab, dass man für 
1 Mk. an Nährwert-Einheiten erhält bei Erbsen 1068, Kartoffeln 766, Keis 545, 
Hering 882, Schinken 216, Obst 100, Schmalz 385, Zucker 322, Kuhmilch 
444, Milchkaffee 311, Schokolade 257, Himbeersaft 90, Bier 50, "Wein 3,3, 
Kognak 1, Branntwein 0. Wer gern volkstümlichen Anschauungsunterricht 
treibt, sei auf diese Tafeln aufmerksam gemacht, die an Plakatsäulen, in 
Schulen, Werkstätten u. s. w. leicht angebracht werden können. 
— Die Guttemplerloge, die in Amerika sehr weit verbreitet ist und neuer 
dings auch in Deutschland, zumal in Berlin, mehr und mehr an Boden gewinnt, 
veranstaltete am 9. Oktober im Saale des Equitablepalastes einen öffentlichen 
Vortrag über das Thema: Der Alkohol, ein Feind des Volkes. Als Keferent war 
Herr Dr. Hirschfeld-Charlottenburg gewonnen worden. Derselbe ging 
davon aus, dass die Bierrechnung des deutschen Volkes jährlich mehr als 
'2V 2 Milliarden beträgt, und dass eine Länderstrecke von der Ausdehnung des 
Königsreichs Sachsen, deren Koggenwert 380 Millionen Mark betragen würde, 
durch die Alkoholproduktion in Bier und Schnaps verwandelt würde und gab 
dann an Hand der Krankheits-, Unfall-, Irren- und Verbrecher Statistik ein an 
schauliches Bild dessen, was wir für diese Kiesenausgabe haben, wobei er sich 
voll und ganz dem Ausspruche Darwins anschloss, dass „keine Ursache so viel 
Not, Elend nmd Leiden in der Welt angerichtet hat, wie der Genuss geistiger 
Getränke“. Nach diesem Sündenregister führte er alle die Gründe an, welche 
die Freunde alkoholischer Getränke für sich ins Treffen führten, und widerlegte 
dieselben in überzeugender Weise. So machte er gegenüber der weitverbreiteten 
Ansicht, dass geistige Getränke stärken, geltend, dass Leute, die sich für 
starke körperliche Leistungen vorbereiten, wie die Jokeys und Kennfahrer, 
während der Trainings, nichts so meiden, wie Alkohol, und dass Nansen seine 
grossen Erfolge selbst zum guten Teil seiner völligen Alkoholabstinenz zuschrieb. 
Zum Schluss berichtete Kedner über die Erfolge der Enthaltsamkeitsbewegung 
in ausserdeutschen Ländern und gab der Hoffnung Ausdruck, dass auch in 
Deutschland der Kampf gegen diesen übermächtigen Feind endlich Erfolg haben 
möge, wozu die Erfahrungen der letzten Jahre durchaus berechtigten. Aus 
der Diskussion, die sich dem anregenden Vortrage anschloss, war besonders die 
von verschiedenen Seiten aufgestellte Forderung bemerkenswert, in den deutschen 
Schulen, ebenso wie es mit Beginn dieses Wintersemesters in sämtlichen fran 
zösischen Unterrichts-Anstalten geschehen sei, einen Unterricht in der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.