Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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grossen Schwimmleistungen von Damen und haben oft Gelegenheit,, 
ihre Ausdauer im Radfahren, Schlittschuhlaufen und bei Gebirgs- 
märschen zu bewundern, von dem Tanzen ganz zu schweigen. 
Während aber alle diese Bewegungen mehr oder weniger einseitig; 
sind, setzt die Turnerei alle Muskeln, alle Sehnen, alle Gelenke in 
Bewegung. 
Das Turnen ist eine Körperbewegung in zusammengedrängter 
Dorm. Zunächst erhöht das Turnen die Thätigkeit der Lunge. 
Dieses rasche Ein- und Ausatmen aber führt, wie wir wissen, ein 
beschleunigteres, also auch vermehrtes Einsaugen von Sauerstoff mit 
sich, welcher unmittelbar ins Blut geleitet wird und diesem Frische 
und Reinheit verschafft. Eng im Zusammenhang mit der Atmung 
steht der Blutlauf. Rascher, heftiger wird das Blut nicht nur in die 
Lungen, sondern in die entferntesten Teile des Körpers getrieben,, 
und ein wohliges Gefühl von natürlicher Wärme durchströmt uns. 
Je rascher das Blut durch die Adern rollt, desto schneller schafft e& 
eine Umwandlung der genossenen Nahrung und trägt die ernährenden 
Bestandteile nach den entferntesten Teilen des Leibes, um sie an 
Nerven, Muskeln, Knochen abzugeben und die verbrauchten Stoffe 
im Umtausch fortzuschwemmen. Auch die Haut, dieses wichtigste 
Ausscheidungsorgan des Körpers, wird durch den beim Turnunterricht 
stattfindenden stärkeren Blutumlauf gehörig durchblutet und hierdurh 
in ihrer ausscheidenden Thätigkeit wesentlich unterstützt. 
Wenn wir nun noch in Rechnung ziehen, dass jede willkürliche' 
Bewegung auf einer lebendigen Wechselwirkung mit den Nerven be 
ruht und die Nerven wieder einflussreich auf die geistige Thätigkeit 
des Menschen sind, so wird gewiss jeder begreifen, warum das Turnen 
auch dem Geiste gesund ist. Durch Mangel an Bewegung entsteht 
eine krankhafte Reizbarkeit innerer Teile, die sich durch Gemüts 
verstimmung oder Abspannung äussert; durch das Turnen aber wird 
eine wohlthätige Ableitung von den Mittelpunkten des Nervensystems- 
nach allen Körperteilen erreicht. Da so auch das Nervensystem 
durch das Turnen in die heilsamste Thätigkeit versetzt und die Bildung 
neuer Nervensubstanz gefördert wird, so kann man behaupten, dass- 
Körperübungen auch ein Stärkungsmittel für die Nerven sind. 
Ferner erreicht durch geregeltes Turnen das ganze Muskelsystem 
einen höheren Grad von Umbildungsfähigkeit der Substanz und hier 
durch wird wieder günstig auf die Knochenbildung eingewirkt. Dies 
ist von ganz besonderer Bedeutung, weil die Mädchen sehr häufig 
Rückgratsverkrümmungen ausgesetzt sind. Aus der Statistik der 
orthopädischen Anstalten geht hervor, dass von allen missgestalteten 
Patienten drei Viertel auf das weibliche Geschlecht kommen. Nur in 
dem Mangel an Bewegung ist die Ursache dieser Erscheinung haupt 
sächlich zu suchen. Diesen Mädchen, welche sich nur durch Korsets* 
aufrecht erhalten können, ist daher das Turnen und andere passende 
gymnastische Uebungen zur Stärkung der Rumpfmuskeln sehr zu 
empfehlen. Aber auch bei der so viel verbreiteten Bleichsucht spielt 
neben richtigem diätetischen Verhalten eine entsprechende Körperübung 
eine wichtige Rolle. Kurz gesagt, der grosse Wert des Turnens be 
steht darin, dass die Willenskraft besser entwickelt, das Gehirn er 
leichtert und der Schlaf befördert wird, die Muskulatur ge 
winnt an Kraft und Geschicklichkeit, die Ernährung, der Stoffwechsel,,
	        
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