Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Tragen der Serumtherapie im allgemeinen und nicht allein des Diphthcrie- 
heilserums einnehmen. Der betreffende Artikel enthält eine Reihe von Un 
richtigkeiten, deren Richtigstellung in dem Leser auf Grund meiner Aus 
führungen überlasse. Ausdrücklich betone ich, dass ich. nur den schul- 
medizinischen Standpunkt in der Serumtherapie darstelle; als Arzt des 
hiesigen Vereines für naturgemässes Heilverfahren etc. nehme ich selbst 
verständlich den Standpunkt aller Naturärzte dieser Therapie gegen 
über ein. 
Es ist beobeachtet worden, dass frisch der Ader entnommenes Blut die 
Fähigkeit besitzt, und auch einige Stunden beibehält, hineingebrachte 
Bakterien zu töten; diese Fälligkeit verliert sich nach einigen Stunden, und 
die nun etwa noch lebenden Bakterien können sich vermehren. Allerdings 
ist nicht das Blut jeder Tierart imstande, alle Arten etwa eindringender 
Bakterien zu zerstören; die Zerstörungsfähigkeit beschränkt sich meist nur 
auf eine gewisse Anzahl von Bakterienarten; z. B. vernichtet das normale 
Rattenblut Milzbrandbazillen, während das Mäuseblut dies nicht thut. 
Angestellte Versuche ergaben nun das Resultat, dass auch das Blutwasser 
(Serum) von Tieren, die entweder von Natur aus gegen eine bestimmte 
Bakterienart immun (gefeiht) sind, oder aber auf künstlichem, oben angegebenem 
Wege, immun gemacht worden sind, die Fähigkeit besitzt, dieselben 
Bakterien zu vernichten, wie das Blut selbst, aus dem das Serum eben 
dargestellt wurde. Hatte man bisher die künstliche Immunisierung (Gift 
festigkeit) nur mit Injektion mehr oder weniger virulenter Bazillen, bezw. 
deren Stoffwechselprodukte, erreicht, so gelang dies jetzt auch mit dem Serum 
des betreffenden Blutes; z. B. machte man mit dem Serum des Blutes der 
Ratten, die ja immun sind gegen Milzbrand, Mäuse, die für diesen grosse 
Empfänglichkeit besitzen, immun. 
Behring verfuhr nun so: Er machte durch Injektion von in ihrer 
Virulenz vom „Minimum bis zum Maximum“ sich steigernder Diphtherie 
bazillen Tiere gegen Diphtherie immun; das Serum der so immunisierten 
Tiere hat nun seinerseits die Eigenschaft, andre Tiere, bezw. den Menschen, 
diesen einverleibt, gegen Diphtherie unempfänglich zu machen; und nicht 
nur dies: Es kann das Diphtherieheilserum, wenn die ein verleibte Menge 
nur gross und in ihrer Konzentration kräftig genug ist, auch eine schon aus 
gebrochene Diphtherieerkrankung heilen. 
Die Logik all dieser, aus dem Tierexperiment sich ergebender Schluss 
folgerungen, ist eine zwingende und bestechende ; aber — wenn man das 
Ding in der Praxis sich ansieht, so sind dem Diphtherieserum, das doch 
immerhin ein Gift ist und deshalb dem Körper nicht einverleibt werden 
darf, sehr unangenehme Nebenwirkungen zu eigen, die in mehreren Fällen 
(Langerhans) ihren Gipfel in plötzlichem Stillstand des Herzens fanden. 
Ich erinnere mich, dass einer meiner Universitätslehrer sagte, in seiner 
Klinik hätte man schon vor Einführung des Diphtherieheilserums dieselben 
günstigen Erfolge bei Behandlung der Diphtherie gehabt, wie anderswo erst 
nach derselben. Eine weitere Kritik des Diphtherieheilserums scheint mir 
überflüssig; es sei nur noch erwähnt, dass die zum Beweise seiner Wirk 
samkeit aufgestellten Statistiken samt und sonders nichts beweisen; denn 
es werden seit Einführung dieser neuen Behandlungsmethode nicht nur alle 
leichten Fälle, die auch früher gut heilten, gespritzt und dann zu statistischen 
Zwecken verwendet, sondern nicht wenig gespritzte Fälle sind überhaupt 
keine echte Diphtherie, sodern einfache Mandel- etc.-Entzündungen, die mit 
Abstossung einzelner Schleimhautteile, Membran- und Schorfbilditng viel 
leicht, einhergehen (sog. nekrotisierende Angina).
	        
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