Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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bildet das unter dem Protektorat der deutschen Kaiserin stehende 
Central-Comite zur Gründung von Volksheilstätten. Für das König 
reich Sachsen ging die Anregung von dem bekannten Lungenspezialist 
Dr. Priver (Reiboltsgrün) aus, der in einer, dem Könige von Sachsen 
1890 überreichten Denkschrift die Notwendigkeit der Errichtung von 
Lungenheilanstalten für Unbemittelte darlegte, unter Hinweis auf 
England, das bereits 18 solcher Hospitäler besitze. Der für die Volks 
wohlfahrt jederzeit warme Fürsorge bethätigende sächsische König 
brachte dieser Anregung lebhaftes Interesse entgegen und übernahm 
für den alsbald ins Leben gerufenen Verein zur Begründung von 
Volksheilstätten für Lungenkranke' im Königreich Sachsen das Pro 
tektorat. Bereits sind eine Anzahl solcher Lungenheilanstalten auf 
deutschem Boden entstanden; leider sind es bis jetzt private Unter 
nehmungen. Hoffentlich folgt der Staat diesen Beispielen bald nach. 
Jedenfalls ist es freudig zu begrüssen, dass mit der Behandlung 
Lungenkranker auf hygieinischem Wege der Anfang gemacht ist, 
wenn auch das „Wie“ noch nicht völlig den Prinzipien unserer Natur 
heilmethode entspricht. Eine Betrachtung der bei den „Volksheil 
stätten für Lungenkranke“ obwaltenden Verhältnisse, wird das be 
stätigen. Da alle derartige Anstalten zweifellos nach gleichen 
Prinzipien geleitet werden, so mögen die Verhältnisse der im säch- 
sichen Vogtlande befindlichen Anstalt „Albertsberg“ zur Illustration 
dienen. 
Die Anstalt „Albertsberg“ liegt auf einem etwa 700 m hohen, 
meist mit Tannenholz bewaldeten Bergrücken, unweit der bekannten 
Reiboldsgrüner Anstalt, also in denkbar günstigster Lage. Eine eigene 
Wasserleitung liefert gutes Trinkwasser. Die Anstalt ist zur Auf 
nahme von etwa 115—120 Kranken eingerichtet. Bei dieser verhältnis 
mässig hohen Zahl hat sich das Einzelzimmersystem nicht durch 
führen lassen, und so kommt es, dass 10, sage zehn Kranke in 
einem Raum von 10 m Länge, 7 m 90 cm Breite und etwa 5 m 
Höhe bei ungefähr 500 cbm Luftinhalt, schlafen müssen, ohne Unter 
schied auf den Grad der Huster. Dabei haben die Schlafsäle durchaus 
ungenügende Ventilation, in Hinblick darauf, dass die hier internierten 
Kranken zum grossen Teile Phthisiker sind. Des Nachts über ist in 
den Schlafsälen nur eine Klappe von 1 m Länge und 40 cm Breite 
geöffnet; weiteres Oeffnen der Fenster ist zwar nicht untersagt (?), 
aber bei der Aengstlichkeit vieler Kranken schwer durchführbar. Wo 
10 Huster zusammen schlafen, ist aber doch die Hauptbedingung: 
Luft, viel Luft! Es müsste also vom hygienischen Standpunkte das 
Offenhalten aller Fenster streng zur Pflicht gemacht werden. An 
der Decke der Schlafsäle ist zwar noch eine Ventilation angebracht, 
sie ist aber mit einem — Brett vernagelt! Hierzu kommt das 
Fehlen einer Centralheizung. Die Heizung wird durch 
eiserne Füllöfen mit Braunkohlenfeuerung bewirkt. Wie man dies 
mit den Grundsätzen einer modernen Hygiene vereinbaren will, ist 
schwer zu begreifen. Die Essen sind auch zu niedrig gebaut und 
der Rauch schlägt sehr oft aus den Ofen heraus, was dann begreif 
licherweise einen starken Hustenreiz bei den Kranken hervorruft. Bei 
feuchter Witterung schlägt der Essenrauch sogar in die Liegehallen 
nieder, so dass die Kranken scherzweise den Ausdruck „Lungen 
räucherei“ gebrauchen. Damit verfehlt die „Liegekur“, welche aLs
	        
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