Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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—^ Aus Wissenschaft und Leben. |&— 
Die Volksheilstätten für Lungenkranke im Lichte der 
Naturheilmethode.*) 
Von P. Kg. 
Unser auf die Neige gehendes Jahrhundert ist reich an kulturellen 
Errungenschaften, sowohl in geistiger wie materieller Hinsicht. Auch 
die ethischen und sozialen Zustände haben eine erfreuliche Besserung 
erfahren und letztere zum. Teil sich ihrer früher anhaftenden Härten 
und Mängel entkleidet, wenn auch die „soziale Frage“ damit noch 
nicht völlig aus.der Welt geschafft ist. Die letzten Jahrzehnte haben 
uns die volkstümliche Gesundheitspflege und die Lehre von der natur- 
gemässen Heilweise gebracht, deren Notwendigkeit und Berechtigung 
auch von Seiten der politischen und wissenschaftlichen Vertreter der 
Staatsheilkunde mehr und mehr Anerkennung findet. Insonderheit 
ist die Behandlung der Lungenschwindsucht, dieser tücki 
schen Volksseuche, in ein neues Stadium getreten. Man lernt eben 
einsehen, dass mit Tinkturen und "Pillen der kranke Mensch nicht ge 
sundet, am allerwenigsten der Schwindsüchtige. Nachdem die 
„Spezifica“ gegen Tuberkulose, wie Kreosot, Tuberkulin und so 
weiter, die auf sie gesetzten Hoffnungen so gründlich enttäuscht 
hatten und trotz (?) aller wissenschaftlichen Forschungen die Lungen 
schwindsucht immer mehr Opfer fordert, hat endlich (leider viel zu 
spät!) die arzneilose'Behandlung der Lungenkrankheiten auch unter 
der herrschenden Medizinheilkunde in erhöhtem Masse Geltung erlangt, 
noch mehr aber und das ist erfreulich, bei dem Volke selbst. Ein 
sichtsvolle Aerzte, allen voran der verdiente Arzt und Gesundheits 
lehrer Dr. Paul Niemeyer, haben ja schon längst die Wirkungs 
losigkeit der spezifischen Mittel gegen Tuberkulose erkannt, aber die 
Mehrzahl ihrer Kollegen füttert nach wie vor ihre armen schwind 
süchtigen Patienten mit Kreosot, allenfalls schickt man sie im Sommer 
4—6 Wochen „aufs Land“. Damit Schwindsucht heilen zu wollen, 
glauben die Aerzte wohl selbst nicht, aber was thuts, die Schwind 
süchtigen zählen ja so wie so „wissenschaftlich“ zu den Todten. Für 
den wohlhabenden Schwindsüchtigen wusste man schon bessern Rat 
—- den Aufenthalt im Süden! Auch die Sanatorien für Lungenkranke 
wie GÖrbersdorf, Reiboldsgrün u. s. w., waren und sind ihrer ungemein 
hohen Kurkosten wegen, nicht oder nur in ganz geringem Masse für 
den weniger bemittelten Lungenkranken geeignet, daselbst Heilung 
zu suchen. Die Lungenschwindsucht wird aber nicht mit Unrecht 
eine Volksseuche genannt. Und so war es.ein Gebot der Pflicht, 
Heilstätten für Lungenkranke in proletarischem Sinne zu schaffen. 
Die Bewegung zur Errichtung von Lungenheilanstalten für die 
arbeitenden Klassen ist noch jung; in Deutschland ist sie erst im 
letzten Jahrzehnt in Fluss gekommen, woselbst Krankenversicherungs 
anstalten und Private sich ihrer annahmen. Den Mittelpunkt der auf 
die Ausführung dieses wohlthätigen Planes gerichteten Bestrebungen 
*) Da man die „Volks Lungenheilstätten-Agitation“ im grossen Style betreibt, 
halten wir es für unsere Pflicht, weitere Kreise auf die Fehler der bestehenden An 
stalten hinzuweisen, denn leider gilt das von „Albertsberg“ hier Gesagte auch für 
andere derartige Institute. D. Schriftl.
	        
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