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Milch, Mehlspeisen und gutes Fleisch vermögen das Blut aufzubessern, wozu
der in der Zeit der Mutterschaft angeregte Stoffwechsel sehr gute Gelegen
heit giebt, daher manche Frau durch eine richtig geleitete Schwangerschaft
und ein gleiches Wochenbett sich besser erholt, als je zuvor durch irgend
welche Kuren.
In ähnlichem Falle befinden sich Frauen, welche blühend aussehen, aber
zur Korpulenz neigen. Gewöhnlich entbehren sie jedes Durstgefühl,
wenn nicht scharf gewürzte Speisen genossen wurden. Dies sind lymphatische
Naturen von langsamerem Stoffwechsel und daher auch phlegmatischerem Tem
perament. Sie verwerten nur wenig Flüssigkeit. Geniessen sie deren mehr als
nötig, so setzt sich der Ueberschuss als Fett an und die Leibesfülle wird immer
bedenklicher. Die Wochensuppen, das Schleimtrinken ist hier nicht am Platze,
da beides weniger der Nahrung des Säuglings zufliesst, als sich vielmehr im
Körper der Mutter in Fett verwandelt. Solche Frauen thun besser, schon im
Wochenbett festere Nahrung zu geniessen, da ihnen die 8—9 tägige Bettruhe
ohnehin wenig zuträglich ist. Sie mögen nur dann etwas trinken, wenn wirk
lich Durst vorhanden ist.
Noch dringender geht diese Mahnung an diejenigen, bei denen sich mit
der Korpulenz die Bleichsucht verbindet. Sie leiden oft an einem künst
lich angewöhnten Durst, der das Hungergefühl so sehr beeinträchtigt, dass
sie nur wenig essen nnd nichts geniessen können, wenn sie nicht dazu trinken.
Sie müssen gegen diese ungesunde Neigung ankämpfen, sonst entwickelt
sich ausgesprochene Fettsucht, welche sich besonders mit jedem Wochenbette
steigert.
Endlich ist sehr zu berücksichtigen, ob die Mutter ihr Kind selbst stillt,
oder es aus wichtigen Gründen nicht thut.
Ist ersteres der Fall, so muss darauf gesehen werden, dass die Milch
alles enthält, was zum Gedeihen des Kindes nötig ist. Hat z. B. die Frau
sich während der Schwangerschaft an eine vorwiegende Obstdiät gehalten, *)
so muss die Nahrung jetzt reich an Knochen und Muskel bildenden Erdstoffen
sein. Hafer, Weizenschrot, Hirse, Haide- oder Buchweizengrütze eignen sich
für diesen Zweck am besten. In welcher Form diese Dinge genossen werden
sollen, ergiebt sich aus den vorerwähnten Bücksichten.
Dünnes Bier, Fleischbrühen, dünner Kaffee auch von Getreide sind sehr
ungeeignet für diesen Zweck. Die Nahrung für den Säugling ist dadurch zwar
reichlich vorhanden, aber zu w r ässrig und zu wenig nahrhaft. Auch die Mutter
verdünnt durch vieles Trinken Blut und Säfte in ihrem eigenen Körper und
neigt zur Bleichsucht. Ebenso verkehrt ist jedoch eine sehr üppige Kost bei
kräftigen Frauen, da sie leicht dem Säugling einen Ueberschuss an Säften zu
führen, den dieser entweder nicht verdaut, oder in Ausschlägen, Geschwüren etc.
auskranken muss.
Bei Frauen von trägem Darm und langsamem Stoffwechsel ist der Genuss
von rohem Weizenschrot oder eben solcher Hafergrütze von günstiger Wirkung,
wenn beides recht gut gekaut wird.
Hindern irgend welche ernste Ursachen die Frau am Stillen, so muss
auf 1—2 Tage völlig trockene Kost geboten werden, damit der Körper erst
den Ueberschuss an Lymphe, den er mit Bücksicht auf den Säugling bildete,
verbraucht. Bei Frauen, welche viel Nahrung haben, kann aus Nichtbeachtung
dieser Massregel ernste Gefahr entstehen, während da, wo es überhaupt an
Milch fehlt, keinerlei Unbequemlichkeit aus dem Nichtstillen hervorgeht.
Es mögen hier einige Diätzettel folgen, um die im Vorhergehenden be
sprochenen Grundsätze praktisch zu beleuchten und ihre Anwendung auf den
einzelnen Fall klarzulegen.
Am 1. und 2. Tage nach der Geburt dürfte die Kost ziemlich gleichmässig
für alle sein. Erst später treten die Unterschiede hervor.
Zunächst also: früh 1 Tasse Milch oder Schleimsuppe mit etwas Zwie-
*) Siehe Muche-Collins: Schmerzlose Entbindung.