Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Mit welchen Mitteln übrigens medizinischerseits gegen uns gekämpft 
worden ist, dafür gab die Notiz in der vorigen Nummer*) dieses Blattes 
einen kleinen Beweis und wer beispielsweise die Festschrift des letzten 
Aerztetages in Eisenach gelesen hat, der muss entsetzt gewesen sein, über 
den geradezu rüden Ton derselben und wird die ,,Männer der Wissenschaft“ 
tief bedauert haben, die an solchen geistigen Entgleisungen Gefallen finden 
konnten. 
Neuerdings nun ist den Streitern gegen die Naturheilkunde ein 
Schützer erstanden in der Person des Medizinal-Assessors beim Königlichen 
Polizei-Präsidium in Berlin, Dr. med. Springsfeld. Derselbe macht in der 
ärztlichen Sachverständigen Zeitung allen Ernstes den Vorschlag, auf landes 
gesetzlichem bezw. auf dem Verwaltungswege das zu erreichen, was auf 
reichsgesetzlichem Wege nicht erreicht werden kann. Es ist ja allerdings 
auch auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege möglich, Laienpraktiker 
existenzlos zu machen und alleinstehenden Vereinen das Lebenslicht auszu 
blasen, wo aber die Mittel vorhanden sind oder von den grösseren Ver 
bänden gemeinsam aufgebracht werden, da wird bei entsprechendem Verhalten 
der Vereine wie Einzelpersonen die ,,verfügende Polizeibehörde“ unterliegen 
und von höheren Instanzen darüber belehrt werden, dass Keichsgesetze 
nicht durch landespolizeiliche Bestimmungen ausser Kraft gesetzt werden 
können. 
Bezeichnend für die Unkenntnis, welche selbst bei höheren Medizinal 
behörden über unsere Bewegung herrscht, ist die Berichterstattung des vor 
genannten Herrn Medizinal-Assessors Dr. med. Springsfeld. In dem an 
gezogenen Bericht in der Sachverst. Zeitung sagt er u. a.: 
„Wie die Aerzte, so sind auch die „Pfuscher“ zu Vereinen zusammen 
getreten, die Vereine der verschiedenen Städte und Länder stehen mit einander 
in Verbindung, und von diesen Vereinigungen wird alles in die Wege geleitet, 
was zur Abwehr geschäftsstörender Gegenbewegungen und zur Hebung d§s 
Geschäfts notwendig ist. Der „Deutsche Bund der Naturärzte und 
Naturheilkundigen“ erstreckt sich über ganz Deutschland und zählt 
570 einzelne Vereine mit 72 000 Mitgliedern. In Berlin gehören dem Bunde 
7 Vereine mit rund 28 000 Mitgliedern an, in den Berliner Vororten 8 Vereine 
mit 400 Mitgliedern. Berlin besitzt u. a. sechs sehr gelesene Kurpfuscher- 
Zeitungen.“ 
Wir wollen auf die verletzende und unsere Vereine wie Anhänger be 
leidigende Form des Berichts nicht weiter eingehen, dergleichen ist ja 
Sache der Erziehung. Aber wir müssen uns doch fragen, ob eine derartige 
irrtümliche Berichterstattung nicht unabsehbare Folgen haben kann. Ist es 
nicht wahrscheinlich, dass auch ins Ministerium solche unzutreffende Dar 
stellungen gelangen? Wenn der Minister in solcher Weise bedient wird, 
dann kann es kaum überraschen, dass sich derselbe ein falsches Bild macht 
von den Zuständen auf dem Gebiet der Heilkunde und dementsprechend 
einmal unrichtige, möglicherweise schädliche Massnahmen trifft. Hier heissts 
aufpassen, unsere Hechte wahren und der Verbreitung von Irrtümern be 
gegnen, dann wird auch die den Gegnern etwa gewährte „Polizeihilfe“ 
unsern Siegeszug nicht aufhalten. 
Aber es giebt noch ein Drittes, das ist die „Selbsthilfe“. Auf „Gottes 
hilfe“ darf der wissenschaftliche Medizinmann nicht rechnen, das widerstrebt 
dem Standesbewusstsein seit Seinesgleichen den Himmel entgöttert und ’Prof. 
Du Bois-Heymond die Parole ausgab: „Kühn auf dieser Höhe des Pyrrho- 
nismus (Zweifelsucht) verschmäht es der Forscher, die Leere, die um ihn 
gähnt, mit Gebilden seiner Phantasie auszufüllen, und blickt furchtlos in das 
unbarmherzige Getriebe der entgötterten Natur“. **) Dass bei solchen An 
schauungen die Art der Selbsthilfe nicht gerade anmuten kann, ist wohl selbst 
verständlich. Die erbärmlichste Art der Selbsthilfe, die Denunziation, spielt 
*) Naturarzt No 8, August 1898, Seite 254: „Vornehme Streiter“. 
**) Festrede in der königl. preuss. Akademie am 6. Juli 1876.
	        
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