Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

Der 
Naturarzt 
Zeitschrift 
des 
Deutschen Bundes der Vereine für Gesundheitspflege 
und arzneilose Heilweise. 
No. 9. Berlin, September 1898. 26. Jahrg. 
Um genaue Beachtung der auf dem Titelblatt angegebenen Adressen wird dringend gebeten. 
—Aus Wissenschaft und Leben. gfc— 
Reichshilfe, Polizeihilfe, Selbsthilfe. 
Zwei Jahre fast hat der Kampf in der Presse getobt und in den 
Sitzungen ärztlicher Standesvereine, der den Zweck hatte, unserer kräftig 
aufstrebenden Bewegung ein jähes Ende zu bereiten. Wären wir unthätig 
geblieben, so hätte man den Schlag gegen die Naturheilbewegung mit Sicher 
heit geführt. Aber die letzten Reichstagswahlen zeigten die Segnungen einer 
grossen einheitlichen Organisation, denn unsere Ereunde haben im Verein 
mit den Impfgegnern eine imposante Agitation entwickelt, die uns eine Mehr 
heit im Reichstage sichert. Dass unsere Interpellationen auch zur Kenntnis 
der „leitenden“ Kreise gekommen sind, geht klar hervor aus dem Wortlaut der 
Verordnung, durch welche das königlich sächsische Ministerium die Anträge 
des Landes-Medizinal-Kollegiums ablehnt. Es heisst darin u. A. wörtlich: 
„Was zunächst den Beschluss der Plenarversammlung des Landes-Medizinal- 
Kollegiums wegen Ausscheidung der Aerzte aus der Gewerbe-Ordnung, wegen 
Untersagung der Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen 
und wegen Erlasses einer für das Deutsche Reich gütigen Aerzteordnung an 
langt, so steht das Ministerium des Innern dem Bestreben des Aerztestandes, 
wie es in diesem Beschlüsse zum Ausdrucke gelangt ist, an sich nicht un 
sympathisch gegenüber. Indessen ist bei den Anschauungen, welche in dieser 
Beziehung beim Reichstage herrschen, keinerlei Aussicht auf Verwirklichung jener 
Bestrebungen vorhanden. Es würde daher auch ein entsprechender Antrag 
beim Bundesrate keinen Erfolg haben. Von einer weiteren Verfolgung der 
Sache muss deshalb zur Zeit wenigstens abgesehen werden.“ 
Der neugewählte Reichstag hat sonach einen Sieg errungen, noch ehe 
er überhaupt eröffnet worden ist. Da das sächsische Ministerium eine 
solche Antwort nicht giebt, ohne sich mit dem preussischen Ministerium 
ins Einvernehmen gesetzt zu haben, so können die Gegner der Kurierfreiheit 
vor der Hand auf die „Reichshilfe“ nicht rechnen, und es bleibt eben 
beim alten. 
Die hasserfüllten Gegner unserer Bestrebungen geben jedoch noch 
nicht alles verloren und rechnen jetzt auf die Hilfe der „PolizeiVerfügungen“. 
Was der Freiheitssinn des Volks versagte, das soll brutale Polizeigewalt ihm 
aufzwingen. Nun, die Vertreter des Medizinismus werden kein Glück haben, 
denn wir sind auf der Wacht! Sicher wird auch der weitere Kampf mit 
den unedelsten Waffen geführt werden, doch es wird ein Guerillakrieg, der 
uns allenfalls empfindlich schädigen, niemals aber vernichten kann, da wir 
geschützt sind vom festen Bollwerk der Reichs-Gewerbe-Ordnung.
	        
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