Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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— Ueber die geringe Teilnahme der Medizin - Studierenden an den Vor 
lesungen und Kursen über gerichtliche Medizin klagte kürzlich Prof. Ri char 4 
Ko ekel in Leipzig, wobei er entschuldigend erwähnte, dass „gerichtliche* 
Medizin 44 allerdings im Staatsexamen nicht geprüft werde. Also die modernen 
Aerzte lernen bei Leibe nicht einen Deut mehr, als sie gerade müssen. Genau, 
wie faule Schulbuben! — 
— Die Erlaubnis zur Leichenverbrennung hofft der Berliner Magistrat in 
Bälde zu erhalten. Der Leichenverbrennungsofen in der Distelmeyerstrasse ist 
fertiggestellt und funktioniert vortrefflich. Leider ist es ein Teil der Geist 
lichkeit, welcher sich der Leichenverbrennung widersetzt, obwohl dieselbe vom 
hygienischen wie auch vom ästhetischen Standpunkte den Vorzug verdient. 
— Neue Naturheilanstalten sind in Mittel-Mühle bei Stettin (ärztlicher 
Leiter Herr Dr. Lindtner) und in Essen a. K., „Sanatorium Alfredusbad“ 
(ärztlicher Leiter Herr Dr. Erich Felsmann) eröffnet worden. 
— Vornehme Streiter im Kampfe gegen die Naturheilkunde scheinen 
die Herren Schulmediziner zu sein, wenn man die herben Urteile hört, die 
sie über die scharfe Tonart der Naturheilkundigen fällen. In Wirklichkeit sieht 
die Sache etwas anders aus, wie der nachstehende Fall beweist. Auf der 
22. Wan der Versammlung des Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen 
am 12. August 1897 hielt Herr Dr. Du Mont-Eisenach einen Vortrag über 
„die Kurpfuscherfrage 44 , den die Correspondenzblätter des Vereins zum 
Abdruck brachten und ausdrücklich als „ausgezeichnet 44 hervorheben. Dieser 
Vortrag nun, den die Redakteure dieses Blattes, die Herren Professoren 
Binswanger-Jena und Pfeiffer-Weimar, als „ausgezeichnet 44 hervorheben, stellt 
sich dar als eine Schimpfwörtersammlung allerschlimmster Sorte. Fast in 
jedem Satze, in welchem von Laienpraktikern die Hede ist, finden wir Worte 
wie „Unverschämtheit 44 , „unverschämt frech 44 , „Individuum 44 , „Ausbeuter 44 ,. 
„Schuft 44 , „derartige Kunden 44 , „dieses Gesindel 44 (dreimal wiederholt), ,jene 
Burschen 44 u. s. w. — Der Herr Vortragende nannte natürlich auch ver 
schiedene Namen und ist deshalb, auf eine Klage des Herrn Glau-Eisenach,, 
den er als Konkurrenten besonders zu lieben scheint, zu einer Geldstrafe 
von 50 Mk. wegen Beleidigung verurteilt worden. — Wo bleibt da die 
akademische Bildung, die Würde und die Standesehre, wo die Erziehung, 
wenn derartige Ausdrücke in einer Aerzteversammlung geduldet, mit „leb- 
naftem Beifall aufgenommen 44 und schliesslich noch in wissenschaftlichen 
Blättern als „ausgezeichnet 44 charakterisiert werden! Knigges altbewährtes 
Buch „Ueber den Umgang mit Menschen 44 scheint in den Bibliotheken 
dieser Vereine nicht vorhanden zu sein. Wir empfehlen die Anschaffung: 
dieses Werkes den Aerztevereinen dringlichst! — 
— In Königshütte haben die Aerzte über die Mitglieder des dortigen 
Naturheilvereins einen Boykott verhängt, der den jungen Verein in eine 
grosse Notlage gebracht hat. Wir werden die Angelegenheit in der nächsten 
Nummer des „Naturarzt 44 ausführlich behandeln, bitten aber, schon jetzt ins 
besondere die grossen Vereine, dem bedrängten Bruderverein beizustehen.. 
Es handelt sich darum, einen tüchtigen approbierten Naturarzt dorthin zu. 
senden, der den streikenden Aerzten die Stirn bietet. Dieser Mann aber 
muss materiell unabhängig, das heisst, so gestellt sein, dass er leben und 
der Anfeindungen und Verdächtigungen seiner Kollegen spotten kann. Der 
Bundesvorstand wird nach Kräften eingreifen, erwajtet aber auch die Unter 
stützung der gutsituierten Bundesvereine. Der Verein auf diesem vor 
geschobenen Posten darf nicht eingehen, die Aerzte dürfen nicht 
siegen, da in diesem Falle auch an anderen Orten ähnliche Versuche 
gemacht werden würden. Schlagen wir diesen Versuch der Aerzte 
energisch zurück, dann vergeht ihnen an anderen Orten die Lust zur 
Nachahmung solcher Boykotts. Der Arzt muss mindestens 1 Jahr sicher 
gestellt werden. 
— Der Naturheilverein Oldenburg hat darauf hingewirkt, dass der 
Magistrat in der öffentlichen Badeanstalt hinter dem Schlossgarten Plakate
	        
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